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Experteninterview: „Windpocken – eine hochansteckende Krankheit“

Windpocken sind eine ernstzunehmende und ansteckende Krankheit. Dr. Stephan von Landwüst ist Kinderarzt und beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema im Interview.

Windpocken sind eine hochansteckende Infektionskrankheit, die vor allem bei Kindern vorkommt. Nicht selten werden die Windpocken verharmlost, obwohl auch hier schwere Verläufe vorkommen. In der Zeit vor der allgemeinen Impfempfehlung im Jahr 2004 gab es pro Jahr etwa 750.000 Erkrankungen. Davon bekamen etwa 40.000 Kinder Mittelohr- oder Lungenentzündungen, Bronchitis oder sogar neurologische Komplikationen, wie Entzündung des Klein- oder Großhirns. Im späteren Alter können dieselben Windpocken-Viren, die im Rückenmark überdauern, sogar eine schmerzhafte Gürtelrose auslösen. Im Jahr 2015 erkrankten immer noch über 23.000 Menschen an den Windpocken¹ – und das trotz Impfempfehlung!

Welche Symptome machen sich im Falle einer Ansteckung bemerkbar und wie sieht der typische Krankheitsverlauf aus?
Die Inkubationszeit der Windpocken, auch Varizellen genannt, beträgt ca. 8 bis 28 Tage. Ganz wichtig zu wissen ist, dass eine Ansteckungsgefahr nicht erst ab dem Ausbruch der Erkrankung, sondern bereits etwa zwei Tage zuvor besteht. Charakteristisch für die Windpocken ist ein rötlicher, stark juckender Hautausschlag, der sich meist vom Gesicht oder Rumpf aus auf den ganzen Körper verteilt. Oft ergeben sie dabei das Bild eines „Sternenhimmels“. Die roten Bläschen sind mit einer hoch ansteckenden Flüssigkeit gefüllt. Meist wird der Hautausschlag zusätzlich von Fieber, Unwohlsein, Appetitlosigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen begleitet. Wenn man sich einmal mit Windpocken angesteckt hat, dauert es meist 5 bis 10 Tage, bis die Bläschen verkrustet sind und die Ansteckungsgefahr vorüber ist.

Welche möglichen Ansteckungswege gibt es?
Die Windpocken sind äußerst ansteckend. Hauptsächlich werden sie durch Tröpfcheninfektion, d.h. beim Atmen, Niesen oder Husten, übertragen. Es reicht bereits aus, sich mit einer infizierten Person in einem Raum aufzuhalten. Fast jede ungeschützte Person, die Kontakt mit einem Erkrankten hat, steckt sich mit Windpocken an. Über den Luftweg können die Viren mehrere Meter zurücklegen. Ein weiterer Übertragungsweg ist die Schmierinfektion durch den virushaltigen Bläscheninhalt. Durch das Aufkratzen werden die Viren über die Hände, aber auch über verunreinigte Gegenstände wie Türklinken weitergegeben.

Wie kann man sich vor einer Erkrankung schützen?
Personen, die noch nicht an Windpocken erkrankt oder gegen sie geimpft sind, stecken sich beim Kontakt mit einem erkrankten Menschen fast immer an. Die wichtigste Schutzmaßnahme ist daher eine frühe Impfung. Seit August 2004 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für alle Kinder die Windpocken-Impfung. Die 1. Dosis der Impfung wird in der Regel ab dem vollendeten 11. Lebensmonat durchgeführt. Die 2. Impfdosis sollte im Alter von 15 bis 23 Monaten erfolgen und einen Mindestabstand von 4 bis 6 Wochen zur ersten Impfung haben.² In besonderen Fällen kann die Impfung sogar schon ab dem vollendeten 9. Monat gegeben werden. Damit sollte man sich vor allem dann auseinandersetzen, wenn das Kind eine Kindereinrichtung besucht. Auch Jugendlichen und Frauen mit Kinderwunsch wird zu einer Impfung geraten, wenn sie die Krankheit noch nicht durchgemacht haben. Denn durch eine Windpockeninfektion kann es für das ungeborene Kind, je nach Schwangerschaftswoche, zu schweren Fehlbildungen kommen.

Wie verhält man sich, wenn das Kind oder man selbst sich doch angesteckt hat?
Bei Verdacht auf eine Windpockenerkrankung wendet man sich am besten gleich telefonisch an seinen Kinderarzt. Dieser gibt weitere Anweisungen, damit es im Wartezimmer nicht zu einer Ansteckung Anderer kommt. Denn der Kontakt mit Personen, die noch keine Windpocken hatten oder nicht geimpft sind, sollte vermieden werden. Ratsam ist es, das Aufkratzen der juckenden Bläschen zu unterlassen, da sie sich sonst bakteriell infizieren können und es häufig zur Narbenbildung kommt. Ein guter Tipp ist z. B. den Kindern die Fingernägel kurz zu schneiden.

Dr. Stephan von Landwüst, Kinderarzt

¹ Epidemiologisches Bulletin Nr. 3, 25 Januar 2016 (Datenstand 20. Januar 2016).
² Robert Koch Institut Ratgeber Varizellen www.rki.de

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