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Familie in Zeiten von Corona

Die große Frage, die viele Eltern im Moment beschäftigt: Was erzählen wir den Kindern? Wieviel Wahrheit können wir ihnen zumuten und wie optimistisch darf unsere Erzählweise sein, dass alles ganz bald wieder gut ist?

Wie kann man am besten mit Kindern über Corona reden, ohne ihnen Angst zu machen? Unsere Gastautorin Dr. Eliane Retz bringt für uns Licht ins Dunkel:

Die wichtigste Aufgabe: Orientierung

Unsere Aufgabe als Eltern ist es jetzt, unseren Kindern Orientierung zu geben. Es bringt nichts, die Tatsachen zu verschweigen, denn Kinder sind mit äußerst feinfühligen Antennen ausgestattet. Wie ich aus meiner Arbeit mit Familien weiß, fangen viele Kinder bereits vor der Bekanntgabe, dass ein Geschwisterkind unterwegs ist, von sich aus an zu sagen: „Mama, in deinem Bauch ist ein Baby“ – sehr zum Erstaunen der Eltern.

Kuscheln und gute Stimmung mit kleinem Kind zuhause // HIMBEER
Zugewandt bleiben und altersgemäß mit Kindern über Corona reden. © Daria Shevtsova, Pexels

Dieses Beispiel verdeutlicht: Kinder verstehen viel mehr als wir oftmals vermuten. Wenn die aktuelle Krise nicht mit den Kindern besprochen wird, kann dies zur durchaus größeren Belastung werden. Aus der Forschung ist bekannt: Ein angespanntes, familiäres Familienklima, wo geschwiegen anstatt gesprochen wird, ist schwer aushaltbar für Kinder. Wie Eltern das Thema angehen, ist u.a. abhängig vom Alter der Kinder

Schon Säuglinge nehmen die Stimmung wahr

Babys studieren aufmerksam die Gesichter ihrer Eltern. Sie geraten sehr schnell unter Stress, wenn sie im Ausdruck der Eltern Anspannung wahrnehmen oder wenn die Eltern starr und gedankenverloren vor sich hin blicken.

Ein Tipp für alle Baby-Eltern

Achtet sehr bewusst auf euren Handy- und Nachrichtenkonsum, denn dies wird Einfluss auf euren Gesichtsausdruck haben – übrigens nicht nur in Zeiten von Corona. Ratlosigkeit, aber auch Sorgen und Ängste können sich aktuell darin widerspiegeln, vielleicht kommt es auch zu einer Verlangsamung der Reaktion, sodass Eltern häufig verzögert auf die Signale des Babys reagieren.

Mit Kindern über Corona reden – Was Kleinkinder schon mitbekommen // HIMBEER
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Gerade in den ersten Lebensmonaten des Kindes ist das prompte und angemessene Reagieren auf dessen Signale wichtig ist, denn auf diese Weise ensteht die Bindung.

Trotz aller Belastungen im Alltag: Setzt den Fokus auf das Baby und die Bindung. Legt das Handy immer wieder weg.

Mit Kindern über Corona reden: Kleinkinder

Der bewusste elterliche Umgang mit Nachrichten und dem Handy ist natürlich auch für Kinder in den anderen Altersgruppen sehr wichtig. Für Eltern von Kleinkindern ist außerdem wichtig zu wissen: Der passive Wortschatz ist dem aktiven Wortschatz stets voraus. Bis zum Ende des zweiten Lebensjahrs enthält der passive Wortschatz ca. 200 Worte.

Kleinkinder verstehen mehr als mancher denkt

Auch wenn das Kleinkind nicht in Worte fassen kann, was gerade passiert, spürt es die Veränderungen deutlich: Plötzlich arbeiten beide Eltern von zu Hause aus oder das Kind besucht eine Notfallbetreuung. Nachmittags sind die Spielplatzbesuche vorbei, man hält sich bei schönstem Wetter in der Wohnung auf.

10 Tipps für das Homeoffice mit Kindern

Eltern brauchen hier keine komplexen Beschreibungen vorzunehmen, es reicht aus zu beschreiben, wie sich der Alltag verändert hat: Wir sind gerade viel zu Hause, denn wir haben gemerkt, dass das im Moment ein guter, sicherer Platz für uns ist. Wir gehen jetzt im Wald spazieren, dort ist es ruhig, die Luft tut uns gut.

Wie erklärt man Kindern, dass sie wegen Corona Oma und Opa nicht mehr besuchen können?

Wenn die Großeltern wichtige Bindungspersonen im Leben des Kindes sind, ist es sehr wichtig, mit dem Kind darüber zu sprechen, dass man derzeit von Besuchen absieht: „Es gibt gerade einen blöden Husten, der heißt Corona. Deshalb haben jetzt alle Kinder Ferien. Für Oma und Opa ist der Husten ganz blöd, denn ihr Körper ist alt und mag keinen Husten. Deswegen bleiben wir zu Hause“.

Kindliche Gefühle ernst nehmen!

Auch wenn das Kind selbst noch wenig spricht, ist es wichtig den Dialog mit dem Kinder zu suchen: „Wie findest du das? Wie geht’s dir damit?“ Erwartet hier keine großen Gefühlsbeschreibungen, denn viele Kleinkinder sagen sehr häufig gar nichts auf solche Fragen oder antworten mit einem „Blöd. Weiß nicht“.

Vater redet mit Tochter // HIMBEER
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Beobachtet euer Kind allerdings aufmerksam und benennt die Bandbreite der kindlichen Gefühlswelt. Dieses Spiegeln der Gefühle ist eine wichtige Basis für den später kompetenten Umgang mit Emotionen.

Mit Kindern über Corona reden: Vor- und Schulkinder

Schon etwas ältere Kinder werden euch sehr wahrscheinlich mit Fragen bestürmen. Beantwortet diese ehrlich, aber achtet auf die Dosierung eurer Ehrlichkeit. Eltern sollen grundsätzlich authentisch sein, aber es ist auch ihre verantwortungsvolle Aufgabe bewusst zu entscheiden, welche Informationen vorerst nicht preisgegeben werden.

Die Botschaft ist: Du bist stark!

So kann man sagen: „Das Virus ist ansteckend. Wenn wir krank werden, dann müssen wir vielleicht husten, haben Fieber. Du kennst das ja von anderen Erkältungen. Es ist nicht schön, aber es geht vorbei. Du und ich, wir sind stark, sodass es nach einigen Tagen vorbei sein wird. Der Körper von alten Menschen, also von Oma und Opa ist nicht mehr so stark. Deshalb bleiben wir zu Hause. Wir tun das für die alten Menschen und für Leute, die bereits andere Krankheiten haben“.

Mit Kindern über Corona reden – Vor- und Grundschulkinder // HIMBEER
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Im Hier und Jetzt bleiben

Auch hier gilt: Gebt keine Prognosen für die Zukunft ab, sondern vermittelt ganz klar: „Wir beobachten das Tag für Tag und sprechen weiter darüber“. Füttert die wissenschaftliche Neugier eures Kindes, indem ihr über Viren, Medizin und Politik im Allgemeinen sprecht.

Setzt den Fokus auf spannende Erkentnisse dazu: Betrachtet Virenbilder. Geht mit einer Lupe auf Entdeckungsreise um ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Dinge so klein sein können, sogar für unser Auge unsichtbar, aber dennoch existent.

Sprecht darüber, wer was im Moment entscheidet, denn damit wird klar: Diese Entscheidungen sind nicht willkürlich von euch getroffen. Es kann sehr spannend für Kinder sein, dass die Politik den Eltern sagt, was sie gerade tun dürfen und was nicht.

Für uns alle gilt

Nehmt die Sorgen und Ängste eurer Kinder immer ernst. Würdigt die kindlichen Gefühle ganz einfach mit einem „Ich kann dich verstehen, es ist wirklich blöd“ und helft eurem Kind, Auswege zu finden. Patentrezepte gibt es hier nicht, aber Kinder spüren, wenn ihre Eltern für sie da sind. Beantwortet gut das kindliche Bindungsbedürfnis, denn das gibt den Kindern Halt und Trost.

Gute Gespräche mit Kindern im Alltag lassen sich meist nicht planen. Sie ergeben sich ganz einfach, wenn man etwas gemeinsam tut. Vielleicht bereitet ihr gerade zusammen das Abendessen und dann ensteht ein soches Gespräch. Reden ist wichtig. Aber überfordert die Kinder nicht mit den Gesprächen.

Oft ist das gemeinsame Tun viel wichtiger. Lasst euch einfach von euren Kinder an die Hand nehmen und zeigen, was ihnen gerade am meisten hilft.

Ihr habt noch Fragen?

Wir möchten euch in Zeiten von Corona unterstützen! Deshalb wird es hier in den kommenden Tagen und Wochen regelmäßig Informationen dazu geben, was für euch und vor allem eure Kinder hilfreich sein kann. Ihr könnt uns auch eure Fragen zu diesem Thema zukommen lassen, damit wir sie mit Eliane besprechen und in einem ihrer nächsten Beiträge thematisieren können: leser@himbeer-verlag.com.
Diese werden natürlich in anonymisierter Form beantwortet, sodass auch andere Eltern davon profitieren können.

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HIMBEER Gastautorin Dr. Eliane Retz // HIMBEER

Dr. Eliane Retz hat Pädagogik und Psychologie studiert. Sie arbeitet in München als systemische Beraterin und bietet persönliche sowie Online-Beratung für Eltern mit Babys und Kleinkindern an. Auf Instagram schreibt sie erfolgreich als Dr. Retzel regelmäßig über die Themen Bindung, Familie und Erziehung.