Auf den Spuren großer Künstler

STADTGESTALTEN München: Das Haus der Kunst bietet Kindern mit zwei Ateliers und einem Medienraum ein großes Experimentierfeld.

Die Wände sind übersät mit Klebestreifen. Kleine Fetzen auf denen Namen stehen: Lisa, Janis, Fayaz, David, Markus, Justus, Vivi, Anna und viele mehr. Der Raum ist recht groß. Die Wände sind hier knapp sechs Meter hoch. Da tummeln sich hunderte Namen. Die Namen von kleinen Künstlern, die im Kinderatelier vom Haus der Kunst ihrer Kreativität freien Lauf gelassen haben.

„Das hat sich mittlerweile schon zu einem großen Kunstwerk entwickelt“, sagt Miriam Gniwotta. Die Theaterregisseurin und Kunstpädagogin lächelt: „Irgendwann haben die Kinder aus unseren Workshops und Kinderprogrammen, die während der Ferien oder parallel zu Ausstellungen im Museum laufen, damit angefangen, ihre Namensschilder an die Wand zu kleben – ein sehr schöner, künstlerischer Prozess ist daraus entstanden.“ Das Kunstwerk versteckt sich hinter einer großen, weißen Eisentür, die in zwei große Ateliers führt – ehemalige Ausstellungsräume des Museums mit Terrasse und Blick in den Englischen Garten. An ausrangierten Garderobenständern hängen graue Arbeitskittel und blaue Schürzen. Es riecht nach Farbe, Kleber und Ideen. Auf Tischen und in Regalen befindet sich lauter Material – Holz, Stoffe, Papier, Farbkästen, Pinsel jeder Art und Größe, Wolle und Farbtuben. Auf einem Schrank steht von Hand geschrieben: Sägen, Bohrer und Schrauber. Spiegel hängen an den Wänden, daneben sehr abstrakte Bilder, die es durchaus in die Ausstellungsräume schaffen könnten. Dazu verschiedenste Skulpturen und Modelle – alles von Kinderhand kreiert.

Riesige Fenster geben den Ateliers viel Tageslicht. Die Tische sind mit Folien überzogen und von Stühlen umringt. Von der Decke hängt ein Ventilator. Farbtupfer bedecken den Boden. Fehlt nur noch der Künstler, der hier an seinen Werken arbeitet und an den kleinen Waschbecken seine Pinsel auswäscht. Statt einem Kreativen arbeiten in den früheren Ausstellungsräumen des Museums allerdings Künstlergruppen – bestehend aus Vorschulkindern, Waisenkindern, Schülern, unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, Geburtstagskindern oder Kindern mit geistigen wie körperlichen Handicaps. „Wir sind das einzige Museum in München, das Kindern richtige und voll ausgestattete Atelierräume zur Verfügung stellt. Damit möchten wir dem Nachwuchs einfach ein Experimentierfeld bieten, in dem sie sich ohne große Vorgaben und Vorschriften frei bewegen und ausprobieren können“, erklärt Anne Leopold, die zusammen mit Sylvia Clasen das Kinder- und Jugendprogramm entwickelt und umsetzt. Sie betont: „Dabei wollen wir keine kleinen Picassos erschaffen, sondern den Kindern und Jugendlichen Kunst als etwas Lebendiges und Greifbares vermitteln.“

Bis zum 26. März 2017 läuft noch die Ausstellung „Postwar: Kunst zwischen Pazifik und Atlantik, 1945-1965“, die die turbulente und ereignisreiche Nachkriegszeit als ein globales Phänomen untersucht. Ein recht schwieriges und hartes Thema. „Je nach Gruppe und Alter schauen wir uns nur bestimmte Kunstwerke der Ausstellung an, die die kleinen Nachwuchskünstler inspirieren sollen“, meint Leopold. Wie beispielsweise „There Were Seven in Eight“ von Jackson Pollock aus dem Jahr 1945. Ein sehr wildes, buntes aber auch düsteres Bild des US-Amerikaners, bei dem er eine großformatige Leinwand auf den Boden legte und die Farbe mit großen Pinseln oder direkt aus den Farbtöpfen tropfend und schleudernd auftrug – auch als „Action Painting“ bekannt. „Und genau das können die Kinder dann in unseren Ateliers probieren und umsetzen, auf ihre ganz eigene Art und Weise“, sagt Leopold.

Natürlich sind die Nachwuchskünstler dabei nicht auf sich allein gestellt. Kunstpädagogen sowie freischaffende und bildende Künstler, deren Schwerpunkte Malerei, Architektur, Bühnenbild, Bildhauerei, Schmuckdesign, Fotografie und Film sind, begleiten und unterstützen sie bei den jeweiligen Workshops und Projekten. Miriam Gniwotta gehört zu dem 16-köpfigen Team im Haus der Kunst, das sich um die jungen Künstler kümmert. „Horte, Kitas, Schulklassen aber auch immer mehr Kindergärten nutzen unser Programm“, meint Leopold, „Mittelschulen können sich bei uns kostenfrei anmelden.“ Geburtstagsfeiern mit bis zu elf Kindern (ab 180 Euro) und Workshops für private Gruppen finden in den Atelierräumen ebenfalls statt.

Seit 2005 gibt es die großen Atelierräume für Kinder im Haus der Kunst, davor befanden sie sich im Keller. „Das war nicht sehr attraktiv“, muss Frau Leopold zugeben, die sich seit 2003 um die kleinen Künstler kümmert und mit Frau Clasen immer wieder neue Konzepte und Programme für Familien und Jugendliche austüftelt. Beide haben Kunstgeschichte studiert, haben selber Kinder und wissen aus eigener Erfahrung, wie man Kunst für Kinder schmackhaft machen kann. Leopold: „Uns liegen Kinder und Kunst einfach am Herzen.“

„Bewegte Bilder spielen bei uns und bei den Kids natürlich auch eine Rolle“, erzählt Miriam Gniwotta. Kinder und Jugendliche ab neun Jahren dürfen im Medienraum aktiv werden und eigene Videos drehen, schneiden und produzieren. „Kunst ist so vielseitig und grenzenlos, da wird einem nie langweilig“, resümiert die erfahrene Kunstpädagogin und schließt die große, weiße Eisentür – das Museum macht gleich zu. Morgen geht es weiter, es laufen wieder Workshops – und erneut werden Kinder ihre Namen an der Wand fixieren …

Text: Sebastian Schulke, Fotos: Julia Krüger, Conny Mirbach

Weitere Infos zu den Ausstellungen, Workshops und Projekten vom Haus der Kunst: www.hausderkunst.de