Grüne Oase mit Glücksfaktor

Der Verein „Menschen brauchen Tiere“ bei Grünwald bringt Natur, Mensch und Tier auf besondere Art und Weise zusammen ...

Die Forsthausstraße schlängelt sich durch den Wald. Hier und da macht sie eine Kurve oder es zweigen Forstwege ab, wie ein kleines Labyrinth. Doch dann lichtet sich der Wald, statt Bäumen breiten sich nun Felder und Wiesen am Wegesrand aus. Und die kleine Straße endet vor einem Haus. Es ist nicht irgendein Haus. Es ist das alte Forsthaus Wörnbrunn bei Grünwald. Darin wohnt allerdings kein Jäger mit lautem Schießgewehr, sondern eine Frau, die es sich in der grünen Oase mit ihren Tieren gemütlich gemacht hat.

Afra und Schoko, zwei herumtobende und tollende Hunde, sind dabei die engsten Begleiter von Ina Kirchhoff. Ansonsten leben und arbeiten hier eine kleine Herde Alpiner Steinschafe mit Anita als vierbeinige Anführerin, eine Gruppe gemischter Kaninchen mit Rudi als Chef, vier deutsche Edelziegen, angeführt vom schwarzen Bock Bromm sowie Elsa, eine alte, putzige Katze, auf dem in München einzigartigen Begegnungshof. „In unserer digitalisierten und erfolgsorientierten Welt verliert der Mensch immer mehr den direkten Bezug zur Natur und damit auch zu den Tieren“, sagt Kirchhoff, die seit acht Jahren in dem alten Forsthaus wohnt und vor fünf Jahren den Verein „Menschen brauchen Tiere“ gründete. „Die Idee zur Gründung des Vereins war verbunden mit dem Ziel, die Beziehung von Mensch, Tier und Natur in einem geschützten Rahmen auf dem Begegnungshof zu fördern und wiederzubeleben.“

Es handelt sich hier also nicht um einen dieser Streichelzoos, bei dem Kinder und Erwachsene die Tiere wie Teddybären knuddeln und mit Futter aus dem Automaten vollstopfen. Im Gegenteil! Kirchhoff, die zertifizierte Umweltpädagogin für nachhaltige Entwicklung, achtet darauf, dass sich Mensch und Tier mit dem nötigen Respekt behandeln und begegnen. „Tiere sind für uns nicht nur Beute und Nutztier, sondern auch Beschützer, Verbündete, Begleiter und Tröster“, meint sie. „Sie haben eine wohltuende und stärkende Wirkung auf uns. Dazu braucht es keine Worte. Die Wärme, die die Tiere ausstrahlen, ein kleiner Nasenstupser oder einfach die Berührung des weichen Fells schenken Geborgenheit und erzeugen Glücksgefühle.“

Eigentlich ist Ina Kirchhoff gelernte Szenenbildnerin, sie arbeitete für Film und Fernsehen. Dann entdeckte sie jedoch das alte Forsthaus in Wörnbrunn, engagierte sich in der Nachbarschaftshilfe für Menschen mit körperlichen und geistigen Handicaps – und kam so schließlich auf die Idee, einen Begegnungshof zu gründen und aufzubauen. „Herbert hieß ein Schädeltraumapatient, der nicht mehr sprechen und seine Außenwelt scheinbar kaum noch wahrnehmen konnte“, erinnert sich Kirchhoff. „Doch dann ging er eines Tages zu Bromm, den ich damals vor dem Schlachthof gerettet hatte. Herbert schaute ihn an und lachte plötzlich, strahlte vor Freude über das ganze Gesicht. So kam ich auf die Idee, ´Menschen brauchen Tiere´ zu gründen.“

Gerade läuft ein Kindergeburtstag auf dem Begegnungshof, auf dem es hinter dem alten Forsthaus drei großzügige Gehege und eine Scheune für die Tiere gibt. Daneben befinden sich ein Lagerfeuerplatz, ein alter Schäferwagen und ein Pavillon, in dem die Festtafel für die Kinder gedeckt ist. Die Jungen und Mädchen befinden sich im ersten Gehege, in dem die Ziegen und Schafe sind, die neugierig und etwas verschlafen dreinschauen. Sie nähern sich langsam, genauso wie die Kinder. Kein Geschrei oder Toben ist zu vernehmen. „Wir sagen unseren kleinen wie großen Gästen vorab nicht viel. Nur, dass sie den Tieren ruhig und rücksichtsvoll begegnen, damit sich die Tiere nicht erschrecken und davon laufen“, so Kirchhoff, „und wenn sie trotzdem davon laufen, dann nicht hinterher rennen. Die Tiere entscheiden bei uns über Dauer und Intensität der Begegnung.“ Mensch und Tier sollen sich so möglichst natürlich und ungezwungen begegnen. Kurz darauf kommt es zu ersten zaghaften Berührungen, einem leichten Streicheln. Doch die Ziegen rennen weg, wollen ihre Ruhe haben. Nur Bromm, der unglaublich große Bock bleibt stehen, kratzt sich seinen Bart.

Dabei spielt nicht nur das Verhalten zu den Tieren eine Rolle. Der Begegnungshof fördert auch ein ganz neues und viel bewussteres Verständnis für die Tiere – bei Kindern und Erwachsenen. So gebe es laut Kirchhoff bei fast jeder Geburtstagsfeier ein Kind, das am Ende darüber nachdenkt, Vegetarier zu werden. „Die Kinder hinterfragen plötzlich ihr Konsumverhalten“, meint die Umweltpädagogin, „das ist doch toll.“ Natur-, Umwelt- und Tierschutz werden so auf ganz spielerische Art und Weise thematisiert und vermittelt, genauso wie gesundheitsfördernde, therapeutische und soziale Effekte.
Außer Kindergeburtstagen sowie theaterpädagogischen Programmen mit Tieren, interkulturellen Fördermaßnahmen und verschiedenen Ferienangeboten, bietet Kirchhoff mit ihrem Team, das überwiegend aus ehrenamtlichen Helfern besteht, auch Workshops, Seminare, Corporate Volunteerings sowie Teamtrainings für Erwachsene und Firmen an.

Seniorenheime und Schulklassen können sich ebenfalls anmelden und den Tieren auf ganz natürliche Art und Weise begegnen. „Wir haben eine Schule aus Perlach, die regelmäßig zu uns kommt“, erzählt Kirchhoff, „aber auch spezielle Abende für Erwachsene.“ Wie Aprés Sheep, Lesungen im Stall oder Sheep-atical – eine Auszeit mit Schafen. Ina Kirchhoffs Verein arbeitet außerdem mit der Berliner Stiftung „Bündnis Mensch & Tier“ zusammen.

Plötzlich fangen Schoko und Afra, die beiden Hunde zu bellen an. Ein älteres Ehepaar steht vor dem alten Forsthaus. „Ist das hier der Begegnungshof“, fragen sie. „Ja, kommen Sie herein“, sagt Kirchhoff und schaut zu Bromm rüber, der seinen langen Hals in die Luft reckt und verschlafen grinst …

www.menschenbrauchentiere.de

Text: Sebastian Schulke, Fotos: Ina Kirchoff, Sebastian Schulke

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