© Cindy Villmann

Bilder einer Geburt

Ann Cathrin und Christine wurden vor gut zwei Jahren zum ersten Mal Mama. Während Christine eine Klinikgeburt wählte, entband Ann Cathrin in den eigenen vier Wänden. Wie liefen die Entscheidungsprozesse ab und wie plant man eigentlich das Unplanbare?

Beide Frauen ließen ihre Geburten von Geburtsfotografin Cindy Villmann begleiten. Für HIMBEER haben sie sich an diese besondere Zeit der Geburt zurückerinnert.

In etwa so groß wie eine Erbse ist das neue Leben im Bauch, wenn zum ersten Mal die Frage nach dem WO und WIE auftaucht. Geburtsvorbereitung beginnt im Kopf mit langen imaginären Listen und vielen Fragezeichen. Welcher Typ bin ich? Was ist mir wichtig? Ganz schön schwer zu beantworten, wenn es gar keine Vorstellung von der Geburt an sich gibt. Gerade beim ersten Kind ist es eher das Zusteuern auf etwas Ungewisses und doch müssen Entscheidungen getroffen werden. Ein Dilemma, will man doch alles richtig machen.

Bilder einer Klinikgeburt im Kreißsaal // HIMBEER
© Cindy Villmann

In Deutschland entscheidet sich ein Großteil der Frauen für die Klinikgeburt. Laut der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V. (QUAG), kamen 2020 knapp 14.000 Kinder in Deutschland zu Hause zur Welt. Das sind 1,8 Prozent aller Geburten im letzten Jahr.

Warum sich werdende Eltern für die eine oder andere Möglichkeit entscheiden, hängt von vielen Faktoren ab. Wo lebe ich, erwarte ich Mehrlinge, wie liegt das Baby im Bauch, welche Möglichkeiten der Hebammenbetreuung habe ich? Aber auch Aspekte wie das Bedürfnis nach einer nahen Intensivstation für den Fall der Fälle, oder dem Wunsch, in einer vertrauten Umgebung zu sein, spielen eine Rolle. Am Ende ist jede Wahl gut. Denn nichts ist so individuell und einzigartig wie eine Geburt.

In vertrauter Umgebung

Ann Cathrin hat ihre Tochter zu Hause zur Welt gebracht

Eine portable Geburtswanne in einer Wohnung im Berliner Süden. Als Geburtsfotografin Cindy Villmann bei den werdenden Eltern ankam, war die Wanne noch leer. Ann Cathrin und ihr Partner hatten sich gerade mit Hündin Emma noch mal ins Bett gekuschelt – wollten erst mal für sich sein.

Bilder einer Hausgeburt in der Geburtswanne // HIMBEER
© Cindy Villmann

Seit vielen Jahren ist Cindy schon bei Geburten als Fotografin dabei und doch ist es immer wieder neu und aufregend, wenn der Anruf kommt: Es geht los. Für Cindys Arbeit ist der Ort, an dem die Geburt stattfindet, zweitrangig. Sie dokumentiert die Nähe und Emotionen, begleitet eine Frau in diesen besonderen Stunden.

Für Ann Cathrin als Gebärende aber war der Ort von Anfang an zentral. Noch bevor sie ihrer Mutter und ihrer besten Freundin von der Schwangerschaft erzählte, begann die Unternehmerin mit der Recherche von Hebammen – Hausgeburtshebammen. „Wenn man weiß, wie man die Geburt erleben möchte und nichts gesundheitlich dagegen spricht, dann kann eine Hausgeburt auch klappen. Bei uns hat es nur funktioniert, weil ich wusste, was ich wollte“, so die 31-Jährige.

Bilder einer Hausgeburt: Vertraute Atmosphäre zu Hause // HIMBEER
Alles ist bereit für die Geburt in den eigenen vier Wänden. Das gemütliche, warme Licht der Kerzen hilft Ann Cathrin in den nächsten Stunden dabei, sich zu entspannen und ihre Kräfte zu schonen. © Cindy Villmann

Am Vorabend des Tests schmeckte das Essen plötzlich intensiver. Dann wurde die Schwangerschaft im Krankenhaus bestätigt. Das Paar steckte mitten im Umzug von München nach Berlin. Das heißt, Ann Cathrin hatte in der neuen Stadt noch keine Gynäkologin und noch keine Kontakte zu anderen Müttern im zukünftigen Kiez.

Dass die Entscheidung für eine Hausgeburt trotz dessen so schnell fiel, lag auch daran, dass sie sich bereits mit dem Thema Geburt und der Situation der deutschen Geburtshilfe und Hebammen beschäftigt hatte: „Ich wusste, dass ich mich sicherer fühle, wenn ich nicht im Krankhaus gebären würde“, erinnert sie sich.

Konkret meint sie damit Erfahrungen aus ihrem direkten Umfeld. „Gewalt im Kreißsaal betrifft zu viele Frauen. Ich hatte kein Vertrauen in die Geburtshilfe in deutschen Krankenhäusern, besonders wenn sie gewinnorientiert arbeiten“, erklärt sie. „Ich wollte eine selbstbestimmte Geburt. Deswegen war es vor allem eine Entscheidung gegen das Krankenhaus und danach erst für ganz zu Hause.“ Natürlich nur, wenn die Gesundheit von Mutter und Kind das auch zulassen würde.

Bilder einer Hausgeburt in der Geburtswanne // HIMBEER
© Cindy Villmann

Ann Cathrins Partner wurde selbst zu Hause auf die Welt gebracht. Von Seiten seiner Familie erfuhr sie daher starken Rückhalt. Ihre eigene Familie vertraute ihr mit der Entscheidung. „Alle restlichen Zweifel hat mir meine Hebamme genommen. Sie hat mir Vertrauen in meinen Körper in Momenten mitgegeben, in denen ich es nicht hatte.“

Bilder einer Hausgeburt mit Partner in der Wanne// HIMBEER
© Cindy Villmann

Fotografin Cindy erinnert sich noch an die Nähe zwischen den beiden, als das Paar dann im Pool waren: „Sie hatten sehr viel Körperkontakt, Haut auf Haut.“ In den Stunden bevor Ann Cathrins Baby kam, fing Cindy, die selbst zweifache Mutter ist, ganz besondere Momente ein: „Ich weiß noch, dass sich die Hebamme zu Ann Cathrin gebeugt hat und sehr motivierende, liebevolle Worte gesagt hat. Das war der Power-Knopf.“ Das komplette Wohnhaus habe sie zusammengeschrien, erinnert sich Ann Cathrin. Kurz danach war die Kleine da und die Familie konnte sich gleich ins eigene Bett kuscheln.

Bilder einer Hausgeburt: das Baby ist da // HIMBEER
Nach einer langen Geburt erblickt Ann Cathrins Tochter zu Hause das Licht der Welt. Gut betreut von Hebamme Melanie können sich Mama und Baby direkt ins eigene Bett kuscheln und in Ruhe aneinander gewöhnen. © Cindy Villmann

Bei einer Hausgeburt schließt das Wochenbett nahtlos an – kein Umzug vom Kreißsaal auf die Station, keine Autofahrt vom Krankenhaus nach Hause. Wer plant, zu Hause zu entbinden, sollte aber einige Dinge im Voraus organisieren. „Wenn man sich auf eine Hausgeburt vorbereitet, bedeutet das gleichzeitig auch, dass man sich genauso für einen Plan B vorbereiten muss,“ erklärt Ann Cathrin. Sie hatte zusätzlich eine Kliniktasche gepackt und alle nötigen Absprachen mit einem Krankenhaus getroffen.

Bilder einer Geburt: erstes Stillen // HIMBEER
© Cindy Villmann

Und schließlich galt es, die eigenen vier Wände, so gut es geht, auszustatten. Geburtspool, Kühlkissen, Thermoskanne, Kerzen – „Eine gute Hebamme gibt einem alles mit, was man wissen muss – welche Vorbereitungen man treffen muss und vor allem wie man einigermaßen entspannt dabei bleibt.“

Bilder einer Geburt zu Hause: der Familienhund ist dabei // HIMBEER
© Cindy Villmann

Heute ist ihre Tochter zweieinhalb Jahre alt und Ann Cathrin kann mit einer zeitlichen Distanz auf Schwangerschaft und Geburt blicken. Cindys Fotos halten ihre Erinnerung frisch. Die Geburt sei sehr lang und anstrengend gewesen, erinnert sie sich. Ihr Körper habe besonders sensibel auf Störungen reagiert.

Mit ihrer Entscheidung, zu Hause zu entbinden, hadert sie nicht: „In der gleichen Situation würde ich mich immer wieder für eine Hausgeburt entscheiden. Es war für mich, meinen Partner und uns als Familie ein enorm bestärkendes Erlebnis.“

In der Klinik

Christine hat ihre Tochter im Krankenhaus zur Welt gebracht

Der Ort, an dem Christines Baby zur Welt kommen würde, war zu Beginn der Schwangerschaft alles andere als sicher. „Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, waren wir gerade auf einem Roadtrip und noch circa vier Wochen lagen vor uns.“ Deswegen habe sie sich erst sehr spät um irgendetwas gekümmert, erinnert sich Christine.

Als die Schwangerschaft dann schließlich ärztlich bestätigt wurde, kam bei ihr sofort die Frage auf, wie die Geburt ablaufen würde. Gewünscht hätte sie sich eine Beleghebamme, doch dafür war sie zu spät dran und auch in ihrem favorisierten Geburtshaus mit Klinikanschluss rückte sie nicht mehr nach. Ein anderes Geburtshaus schied nach der Besichtigung aus und dass sie keine Hausgeburt wollte, sagte ihr das Bauchgefühl.

Schlussendlich entschied sie sich für die Entbindung in einem Krankenhaus. Heute weiß die 36-Jährige, dass die Klinik genau der richtige Ort für die Entbindung ihres ersten Kindes war.

Bilder einer Geburt in der Klinik: Kraft schöpfen // HIMBEER
© Cindy Villmann

Klinikgeburt ist allerdings nicht gleich Klinikgeburt. Nach der Entscheidung für die Klinik schließen sich automatisch viele weitere Fragen an, denn in jedem Krankenhaus finden sich unterschiedliche Bedingungen vor: angeschlossene Intensivstation für Kinder, Auswahl an Schmerzmitteln, Schwerpunkt Geburtshilfe oder Geburtsmedizin und so weiter.

Christine nahm an Info-Veranstaltungen von mehreren Kliniken teil, ließ sich von Freundinnen und Hebammen beraten und entschied sich für einen von Hebammen geführten Kreißsaal. Hier werden die Frauen unter der Geburt in erster Linie von Hebammen begleitet, im Notfall kann medizinisch interveniert werden: „Ich habe mir eine sanfte, natürliche Geburt gewünscht und so schien mir das ehesten möglich.“

Bilder einer Geburt in der Klinik: Mutter mit Partner // HIMBEER
© Cindy Villmann

Als Geburtsfotografin Cindy den Anruf bekam, dass es losgeht, waren Christine und ihr Freund Martin schon ein paar Stunden in der Klinik. Nach einigen Voruntersuchungen stand fest – Tochter Alma hatte sich auf den Weg gemacht. Stunde für Stunde verstrich im Kreißsaal und es folgten mehrere Schichtwechsel der Hebammen.

Christine erinnert sich, wie erschöpft sie war: „Cindy war nicht nur Fotografin, sondern hat mir auch geholfen, die Geburt noch mal nachzuvollziehen mit all ihren langen Stunden. Sie war aktiv dabei und hat mir währenddessen gut zugeredet“.

Bilder einer Klinikgeburt: Wehenpause // HIMBEER
Die Ruhe vor dem nächsten Sturm: In einer Wehenpause versucht Christine neue Kraft zu schöpfen. Ihr Freund Martin weicht ihr dabei im Kreißsaal nicht von der Seite. © Cindy Villmann

Im Endspurt waren alle Beteiligten längst ein eingeschworenes Team – die Hebamme mit einer Hebammenschülerin, die werdenden Eltern und Cindy. „Christine hat am Ende noch mal alles gegeben, bis dann die kleine Maus hellwach mit großen Augen zur Welt kam“, berichtet die Fotografin.

Geburtsfotografie – Geburtsbilder // HIMBEER
© Cindy Villmann

Genau diesen besonderen Moment, an dem Alma das Licht der Welt zum ersten Mal erblickt, hielt sie fest. „Ich hatte die Fotos erst diese Woche wieder in der Hand“, sagt Christine, „und schaue sie mir zu jedem Geburtstag an. Es ist immer ein schöner, emotionaler, magischer Moment. Auch zu sehen, was man da geleistet hat.“

Bilder einer Klinikgeburt: neugeborenes Baby // HIMBEER
Nach 32 Stunden Wehen hat Christine es endlich geschafft. Alma ist da. Gleich zieht die Familie vom Kreißsaal ins Familienzimmer um, wo sie es sich gemütlich machen kann. © Cindy Villmann

Nach der Geburt zogen Christine, Martin und Alma in ein Familienzimmer, wo viel Ruhe und Zeit war für Bonding und die ersten Stillversuche. Christine erinnert sich noch gut daran, wie froh sie war, dass sie sich um nichts kümmern musste. „Ich fand das schön – du wirst so nicht sofort rausgerissen und kommst wieder in dein echtes Leben, sondern hast einen sanften Übergang.“

Bilder einer Klinikgeburt: Das Baby ist da // HIMBEER
© Cindy Villmann

Ihre Erfahrungen als Mama fließen in ihre Arbeit ein. Seit vier Jahren bietet Christine Coachings an – unter anderem für Frauen in der Elternzeit, die sich beruflich verändern möchten. Auf dem YouTube Kanal „Lilies Diary“ veröffentlicht sie außerdem Videos zu Themen wie Minimal Mindset, Nachhaltigkeit und ihrem eigenen Mamasein. Weit über 90.000 Aufrufe hat das Video, in dem sie ausführlich von ihrer Geburt berichtet.

Öffentlich über die Geburt zu sprechen, findet sie wichtig. Wer mehr weiß, gehe mit einem besseren Gefühl in die unbekannte Situation hinein – so ging es ihr jedenfalls. Deshalb informierte Christine sich in ihrer Schwangerschaft darüber, was sie bei der Geburt erwarten kann, schaute sich sogar Videos von Geburten an. „Das ist sicher typabhängig, aber ich will immer wissen, was passiert. Dann kann ich besser damit umgehen und habe auch einen Plan“, sagt sie über sich selbst.

Eine Technik, die unter ihrer Geburt auch zum Einsatz kam: Hypnobirthing. In der Schwangerschaft belegten Christine und Martin dazu einen Kurs: „Dort lernt man, dass man selbst verantwortlich ist und dass man die Stärke in sich selbst entwickeln kann. Und dann ist es egal, wo ich gebäre. Wenn ich damit gut umgehen kann, wenn ich loslassen kann, wenn ich akzeptieren kann, dann ist der Ort zweitrangig.“

Geburten sind unvergleichbar

Bei den Themen Schwangerschaft und Geburt sollten keine Vergleiche angestellt werden. Es gibt viele Gründe für eine Haus- und für eine Klinikgeburt. Und natürlich gibt es auch Indikationen bei Kind oder Mutter, die klar gegen die Geburt außerhalb eines Krankenhauses sprechen.

Trotz allen Vorbereitungen und Infos kann alles immer ganz anders kommen. Eine Geburt ist und bleibt unplanbar. Lediglich ein Rahmen kann gesetzt werden und die werdenden Eltern können sich Gedanken darüber machen, was ihnen wichtig ist. Fakt ist: Ein Ort, an dem man sich wohl und sicher fühlt, ist eine Grundvoraussetzung dafür, sich fallen lassen zu können. Für die Geburt kann das hilfreich sein.

Für Cindy sind alle Geburten, die sie begleiten durfte, ein prägendes Erlebnis. Mit ihren Fotos will sie den Frauen eine Perspektive schenken, die sie sonst nicht hätten: „Meine Bilder helfen, sich als Frau auch mal selbst zu sehen. Vor allen Dingen will ich ihnen zeigen, wie kraftvoll wir Frauen unter der Geburt sind.“ Der Ort – egal welcher es am Ende ist – wird spätestens dann zur Nebensache.

Cindy und Kay Familien- und Geburtsfotografie

Unverstellt und echt zeigen die Fotos von Cindy und Kay das Leben vieler Familien deutschlandweit. Neben der Familienfotografie bietet Cindy Villmann seit einiger Zeit auch die Geburtsfotografie an. Dabei begleitet sie Frauen bei der Entbindung und hält dieses besondere Ereignis in einer Foto-Reportage für die Ewigkeit fest.

Cindy hat mit HIMBEER über ihre Arbeit als Geburtsfotografin gesprochen: Was macht eine Geburtsfotografin?
Alle Infos zu Cindy & Kay findet ihr hier: cindyundkay.de.

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