Höher, schneller, weiter – darum muss es gar nicht gehen, viel wichtiger ist der Spaß am Aktivsein, den Kinder beim Sport erleben.
Ganz gleich, ob es dafür aufs Skateboard, Fahrrad oder Pferd steigt, die Fußball-, Lauf- oder Ballettschuhe anzieht, sich als Artist oder Kampfsportler beweist oder seine Leidenschaft für den Wassersport entdeckt – wer seinem Kind schon früh die Möglichkeit bietet, sich so viel wie möglich zu bewegen und auszuprobieren, legt den Grundstein für ein gesundes Leben.
Die gute Nachricht vorweg: Laut der großangelegten Studie des Robert Koch Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) ist der Großteil der Heranwachsenden bei guter Gesundheit und auch gar nicht so unsportlich wie manch einer meinen mag. Mehr als drei Viertel der Drei- bis Siebzehnjährigen sind neben Kita und Schule in ihrer Freizeit sportlich aktiv.
Während die allermeisten Kitakinder noch viel draußen spielen, verlagert sich die körperliche Aktivität von Kindern ab dem Schulalter mehr hin zu organisierten sportlichen Aktivitäten – so treiben etwa zwei Drittel der Grundschulkinder Vereinssport.
78% der Drei- bis 17-Jährigen sind in ihrer Freizeit sportlich aktiv.
82% der Drei- Sechsjährigen spielen nahezu täglich im Freien.
66% der Drei- bis Zehnjährigen treiben Sport im Verein.
Der Mensch ist dafür geschaffen, in Bewegung zu sein
Schon Hippokrates von Kos (460-370 v. Chr.), Namensgeber des ärztlichen Eids wusste: „Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden“.
Für das moderne Wohlstandsleben ist der menschliche Körper jedenfalls nicht ausgelegt – stundenlanges Dauersitzen in Büro oder Schule, das ständige Überangebot an Nahrung und die Verfügbarkeit von Transportmitteln, die einen ohne eigene Anstrengung von A nach B befördern, erhöhen das Risiko für Haltungsschäden, Übergewicht, Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Unstrittig ist, dass Bewegung sich positiv auf die gesunde, körperliche wie emotionale, Entwicklung von Kindern auswirkt. Reaktionsvermögen, Konzentrationsfähigkeit, Gleichgewichtssinn und Koordination werden geschult, Ausdauer, Muskel- und Knochenaufbau gefördert, Herz-Kreislaufsystem und Immunsystem nachhaltig gestärkt.
Haltungsschäden kann man durch ausreichend und regelmäßige Bewegung ebenso entgegenwirken wie Übergewicht und ähnlichen ernährungsbedingten Erkrankungen. Und wie Kristin Manz, die mit ihren Kollegen am Robert Koch-Institut die KiGGS1-Daten zur körperlichen und sportlichen Aktivität analysierte, unterstreicht: „Die kindliche Bewegungserfahrung und der Spaß an der Bewegung gehen nicht nur mit steigender körperlicher Leistungsfähigkeit einher, sondern auch mit dem Aufbau des Selbstbewusstseins.“
Bewegung bringt das Hirn auf Trab
Aber nicht nur die körperliche Verfassung profitiert von Bewegung – die durch körperliche Anstrengung verstärkte Durchblutung unterstützt zudem die Bildung von Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen beim Lernen. „Das bedeutet nicht, dass Bewegung schlauer macht. Aber Gehirnleistung und Aufmerksamkeitsniveau verbessern sich.“ meint Dr. Frank Obst von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung (BAG), die sich dafür einsetzt, vor allem in Kita, Schule und Arbeitswelt Prozesse zur Gestaltung und Förderung von Gesundheit, Entwicklung und Bildung durch Bewegung zu initiieren.
„Wir Menschen sind stammesgeschichtlich keine Sitztiere, sondern Bewegungstiere. Deshalb ist es ganz natürlich, dass Kinder nicht lange still sitzen wollen“. Bewegungspausen sollten demnach noch viel mehr und regelmäßiger in Lernprozesse integriert werden.
Über Bewegung die Welt erschließen
Betrachtet man kleine Kinder, ist die Bezeichnung „Bewegungstiere“ ziemlich treffend – bevor sie sprechen können, erkunden und erfahren sie die Welt vor allem über ihren Körper. Kinder sind eigentlich der Inbegriff von Bewegungsfreude. Durch Bewegung drücken sie ihre Gefühle aus, Babys strampeln vor Begeisterung, später begleitet Bewegung ihr Sprechen. Vor allem die die motorische Entwicklung in den ersten zwei Lebensjahren findet besondere Beachtung durch die Eltern, sind diese Fortschritte doch so sichtbar.
Wenn das Baby das erste Mal den Kopf alleine heben, sich selbständig vom Bauch auf den Rücken umdrehen, robben, krabbeln, sitzen, stehen, laufen kann, sind dies besondere Momente. Dass diese Entwicklung von Kind zu Kind unterschiedlich schnell verläuft, verunsichert allerdings manche Eltern. Doch solange keine Therapiebedürftigkeit seitens des Kinderarztes festgestellt wird, besteht kein Anlass zu Sorge und Frühförderungswahn – Kinder machen ihren Weg in ihrer eigenen Geschwindigkeit.
Bewegung und Begegnung
In jedem Fall lohnt sich der Besuch einer der zahlreichen Bewegungsangebote für Kleinkinder. Dass diese einen positiven Einfluss auf die Entwicklung haben, darf eine Nebenrolle spielen, der Kontakt und Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten ist vor allem für Neueltern ein Zugewinn, auch dass man sieht und hört, wie bei anderen auch nicht immer alles rosig läuft.
Mit zunehmendem Alter interessieren sich dann auch die Kleinen füreinander und erste Spielfreundschaften entstehen. Auch eine gute Idee sind Bewegungsangebote für Eltern mit Baby – ob Kinderwagensport im Park oder Yoga mit Baby – nicht nur dass man sich so selbst etwas Gutes tut und hoffentlich nette Kontakte knüpft, lebt man dem Nachwuchs so von Anfang an vor, dass sportliche Aktivitäten zum gesunden Leben dazugehören.
Dem Bewegungsdrang Raum geben
Die meisten Kinder rennen, hüpfen, klettern und balancieren gerne, rangeln und testen ihre körperliche Geschicklichkeit aus. Dieser natürliche Bewegungsdrang kann Eltern kleiner Kinder manchmal ganz schön überfordern. Erst recht wenn das Kind zu den Draufgängerischen zählt, die überall rauf- und reinklettern oder wegflitzen, sobald man ihnen den Rücken zukehrt.
Selbstverständlich ist es nötig, die Kinder vor ernsten Verletzungen zu schützen. Ebenso wichtig ist es jedoch, sie nicht aus Angst, es könnte etwas passieren, in ihrem Bewegungsdrang auszubremsen, sondern die Lust an der Bewegung zu unterstützen, indem man ihr Raum gibt. „Kinder sind heutzutage übersichert“, meint Obst. „Auch die Erfahrung, mal zu stürzen, muss ein Kind machen. Natürlich in einem akzeptablen Rahmen.“ Wer sich was traut, gewinnt Selbstvertrauen.
Bewegungsmangel erkennen
Natürlich sind Kinder unterschiedlich veranlagt, auch in ihrem Drang nach Bewegung, aber wie erkennt man, ob ein Kind sich tatsächlich zu wenig bewegt? Mangelnde Ausdauer – beispielsweise wenn es beim normalen Treppensteigen aus der Puste kommt – spricht dafür ebenso wie Schwierigkeiten, die Balance zu halten.
Laut der BAG sollte ein Kind ab dem sechsten Lebensjahr mindestens zehn Sekunden ruhig auf einem Bein stehen und fünf Sprünge hintereinander auf einem Bein ausführen können. Auch Haltungsschwächen wie stets nach vorne hängende Schultern oder ein Hohlkreuz weisen darauf hin, dass die Muskulatur Stärkung gebrauchen kann.
Bewegung in den Alltag integrieren
Damit Kinder selbstverständlich damit aufwachsen, dass man körperlichen Anstrengungen nicht immer aus dem Weg geht, sind auch die Eltern gefordert. Kinder an ein aktives Leben mit Bewegung und Sport heranzuführen, bedeutet eben nicht nur, die Kinder so früh wie möglich in einem Kurs oder Sportverein anzumelden, sondern es vorzuleben. Es muss nicht immer die Treppe statt Fahrstuhl oder Rolltreppe, das Fahrrad statt Auto sein, aber häufiger als umgekehrt wäre schon gut.
Ein Klettergerüst im Kinderzimmer, ein Trampolin im Hof, Familienausflüge in den Wald, in den Hochseilgarten oder zum Badesee – die Möglichkeiten sind zahlreich, die Lust an der Bewegung zu fördern. Der nächste Park oder Spielplatz ist meist nicht weit und sich ab und an gemeinsam mit den Kindern ein schweißtreibendes Fußball-, Tischtennis- oder Federball-Match zu liefern, macht allen Beteiligten Spaß.
Intensive Bewegung
Auch wenn viele Kinder Sport treiben, längst nicht alle tun dies intensiv. Mindestens einmal wöchentlich aber sollten sich Kinder so stark bewegen, dass sie ins Schwitzen kommen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation. Haben die Kinder erstmal Feuer für einen Sport gefangen, verausgaben sie sich dabei automatisch, ohne groß darüber nachzudenken.
Mehr Marathon als Sprint
Nur der Weg dahin verlangt unter Umständen einiges an elterlicher Geduld – bis ein Kind seine sportlichen Vorlieben für sich entdeckt, kann es dauern und der eine oder andere Vereinsbei- und wieder Austritt die Familienkasse belasten. Gar nicht so einfach, die Balance zu finden, Kinder in einem Motivationstief auch mal bei der Stange zu halten, aber gleichzeitig zu vermeiden, dass der Sport zu einer Belastung und so der Spaß an der Bewegung verdorben wird. So viel wie möglich ausprobieren lassen, keinen Druck ausüben, auch Pausen zulassen, lauten die Empfehlungen, doch ein Patentrezept gibt es wohl leider nicht.