© Sophia Lukasch

Liebevolle Bande

Familienbande hoch drei: Drei Familien, drei Generationen – Großeltern, Eltern, Kinder – was verbindet sie? Wie ändert sich das Verhältnis, wenn Enkel ins Spiel kommen? Worin ähneln sich Kindheit und Erziehungsstil damals, früher und heute?

Wenn erwachsene Kinder Eltern werden, werden deren Eltern zu Großeltern. Doch was sich so knapp mit Worten beschreiben lässt, ist in der Realität ein Rollenwandel
mit langfristigen Folgen. Streit und Konflikte sind da vorprogrammiert, genauso aber eine Verbindung, die ihresgleichen sucht.

Ein halbes Jahrhundert liegt da aus Oma- und Opa-Perspektive schon mal zwischen der eigenen Kindheit und der Kindheit der Enkel. Unterschiede, die sich bemerkbar machen – und dann ist da ja noch die Generation in der Mitte, die frischgebackenen Eltern eben. Was ist es, das die drei Generationen verbindet, was unterscheidet sie, was macht diese Beziehung zu einer so besonderen, und dürfen Omas wirklich alles?

Auf diese Fragen, da waren wir uns sicher, gibt es so viele Antworten, wie es Familien gibt. Wir haben drei Mal drei Generationen getroffen und schnell wurde klar, so unterschiedlich sind sie alle gar nicht. Ziemlich oft geht es vor allem um dreierlei: Urvertrauen, Liebe – und Gummibärchen!

Liebevolle Familienbande – Von der Bindung zwischen Großeltern, Eltern und Enkelkindern // HIMBEER
Opa Byung-Hwan ist nicht nur als Gummibärchenspender beliebt bei seinen Enkelsöhnen. © Sophia Lukasch

Unterstützung im Doppelpack

„Ich würde den Begriff der Generation gar nicht an Zahlen festmachen, sondern eher schauen, wie die Menschen sich fühlen“, sagt Na-Young. Die zweifache Mama findet definitiv, dass sie, ihre Eltern und ihre beiden Söhne Ji-Min und Ji-Su ein klassisches Drei-Generationen-Gespann sind. Dafür sorgt sie, denn ihre eigene Oma starb sehr früh und lebte in Korea. „Ich fand das immer schade, dass ich diese Bindung nicht hatte, deshalb tue ich alles dafür, dass diese besondere Beziehung zwischen meinen Kindern und meinen Eltern aufleben kann“.

„Uno, letzte Karte“, ruft Ji-Min, der Achtjährige ist ein großer Kartenspieler und gewinnt am liebsten gegen Oma und Opa. Jetzt, wo Na-Young beruflich ein paar Tage unterwegs war, kamen ihre Eltern zu Besuch, um Papa Jae-Seok unter die Arme zu greifen. Oma und Opa wohnen in Hamburg und sind stets zur Stelle, wenn sie gebraucht werden.

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© Sophia Lukasch

„Wenn meine Eltern auf meine Kinder aufpassen, muss ich nicht viel erzählen. Sie wissen die Abläufe, was sie mögen. Ich konnte einfach gehen und wusste: Da ist alles gut!“, sagt Na-Young, die in einer Digitalagentur arbeitet. Auch Oma Gn-Hi war berufstätig, als sie Mutter wurde und kann daher gut nachvollziehen, dass jede Unterstützung zählt. Einmal im Monat ist die 70-Jährige mindestens bei der Familie ihrer Tochter und in den Ferien kommen die Enkel zu den Großeltern.

„Oma sein ist etwas ganz anderes: Ich kann sie einfach lieben und betüdeln, aber erziehen sollen die Eltern selbst.“

1972 kam Gn-Hi aus Korea nach Deutschland. In Sachen Erziehung findet sie ihre Tochter niemals so streng, wie sie es selbst bei der Erziehung war. Na-Young erinnert sich noch gut, wie sie und ihre Schwester Verbote meistens nervig fanden: „Es ist aber wirklich so – sobald man eigene Kinder hat, versteht man viel besser, warum die eigenen Eltern in manchen Situationen so reagiert haben, warum sie mich so erzogen haben“, sagt sie.

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„Meine Mutter weiß einfach, was zu tun ist“, Na-Young weiß die Unterstützung zu schätzen. © Sophia Lukasch

Im Gegensatz zu ihrer Kindheit, unterscheidet sich die zwischen den Großeltern und Enkeln enorm. „Die Kindheit meiner Generation war arm, es war die Zeit des Koreakriegs“, erinnert sich Opa Byung-Hwan. „Deshalb möchte ich alle Liebe, die ich habe, an meine Enkelkinder geben. Bei den Enkeln kann ich das, denn die Erziehung ist nicht meine Sache“, sagt er schmunzelnd. „Und Gummibärchen“, ruft Ji-Su. „Die gibt uns Opa auch!“.

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Ji-Min (8) und Ji-Su (4) wachsen zweisprachig auf, mit Deutsch und Koreanisch. © Sophia Lukasch

Der Vierjährige und sein großer Bruder wachsen zweisprachig auf, denn obwohl ihre Mutter in Deutschland geboren ist, spricht sie mit ihren Eltern meist Koreanisch. „Das an meine Kinder weiterzugeben ist nicht ganz einfach, da es ja nicht meine Erstsprache ist. Aber mir ist es wichtig, dass die beiden verstehen, was wir sprechen, und später selbst entscheiden können, ob sie das intensivieren wollen“, sagt Na-Young. Aufgewachsen ist sie in Hamburg, wo ihre Eltern ein Jeansgeschäft hatten. „Das hat das Studium der Tochter finanziert“, lacht Opa Byung-Hwan.

Währenddessen kommt ein leckerer Duft aus der Küche. Die Großeltern haben Eintopf für alle gekocht. Jetzt ist Zeit für ein Drei-Generationen-Abendessen. Eine starke Bande verbindet die Familie. Nur bei einer winzigen Sache, hört die Liebe saisonal auf: Ji-Min ist Hertha BSC-Fan, Mama liebt den HSV und für Opa gibt es einfach nur Schalke!

Vier Leute, eine Abenteuerlust

Wichtig, liebevoll und von gegenseitigem Vertrauen geprägt: So beschreibt Matthias die Beziehung zu seiner Tochter Sophie und den beiden Enkeln Emilie und Marie. „Wichtig vor allem, weil wir eine Familie sind und weil die Bindung uns allen hilft, uns selbst kennenzulernen, Erfahrungen weiterzugeben und voneinander zu lernen“, erklärt er. Opa Matthias spielt im Leben seiner beiden Enkelkinder Marie und Emilie eine große Rolle.

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Letzten Sommer waren Opa Matthias, seine Tochter Sophie und Emilie (7) und Marie (5) gemeinsam im Elbsandsteingebirge wandern und klettern. © Sophia Lukasch

Obwohl er nicht im selben Ort wohnt, sehen sie sich oft und verbringen viel Zeit miteinander. „Wir haben alle die gleichen Interessen“, sagt Mama Sophie, „am liebsten unternehmen wir etwas in Wald und Wiese“. Ihr Vater Matthias ist Erlebnispädagoge und kennt die coolsten Orte zum Zelten und Kanufahren. Auch Wildparks klappern die vier gerne immer wieder ab.

 

Für Sophie ist ihr Vater als Opa gar nicht mehr wegzudenken.

„Als ich das erste Mal schwanger wurde, war klar, dass ich alleine sein werde, da hat er mir einen Brief geschrieben, in dem er mir Mut gemacht hat, das durchzuziehen“, erinnert sich die 31-Jährige. Als sie dann Mutter wurde, verband das noch mal enorm. „Ich wusste dadurch vieles zu schätzen, was meine eigenen Eltern geleistet haben, besonders meine Mama, die auch alleinerziehend war.“ Auch für Matthias änderten die Enkel viel an dem Blick, den er auf seine Tochter hatte: „Ich sehe Sophie seitdem in einem anderen Licht. Sie ist verantwortungsvoller geworden und ihre beiden Töchter haben sie wachsen lassen.“

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Erlebnispädagoge Matthias hat stets die besten Spielideen für drinnen und draußen. © Sophia Lukasch

Opa, Tochter und Enkel wurden allesamt mehr oder weniger am selben Ort groß, vergleichen kann man die Kindheiten aber trotzdem nicht. Vor allem der Leistungsdruck heutzutage sei ein großer Unterschied zu seiner Kindheit, findet Matthias: „Heute werden bereits im Kindergarten hohe Ansprüche gestellt, einfach nur Kind sein, dürfen heute die wenigsten.“ Sophie erinnert sich gerne an ihre Kindheit, in der sie oft ganze Ferienwochen bei ihren Großeltern verbracht hat, die direkt um die Ecke wohnten. Dass diese damals so viel Zeit hatten, lag daran, dass sie bereits in Rente waren.

Ein gravierender Unterschied zu den Kindheiten ihrer Kinder, wo Oma und Opa noch arbeiten müssen. „Das ist schon Wahnsinn, was meine Eltern uns für Freiheiten gegeben haben, mir wurde viel Vertrauen entgegengebracht, und das versuche ich auch bei meinen Kindern,“ sagt die 31-Jährige. Seit Jahren arbeitet sie als Sachbearbeiterin und profitiert dabei auch von dem verlässlichen Netzwerk an Freunden und Familie in ihrem Heimatort. Vertrauen ist auch für sie ein großes Wort, das der Zweifachmama sofort in den Kopf schießt, wenn sie an das Generationenverhältnis denkt. „Wenn ich mal nicht weiterwusste, vor allem am Anfang mit Baby, hat mein Vater mir gesagt ‚Sei einfach da, mach weiter, du machst das gut so‘. Er war und ist immer ansprechbar für mich.“

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Emilie erinnert sich noch an ihr erstes Fahrrad – das hat ihr Opa geschenkt. © Sophia Lukasch

Das spüren auch die beiden Mädchen und empfinden ihren Opa als festen Part im Alltag. „Mein Opa hat mir Fahrradfahren beigebracht“, fällt Emilie ein. „Und wenn man einen Mückenstich hat, hilft Spitzwegerich“, ergänzt sie und flitzt strahlend davon. Weisheiten der Großeltern sind die wertvollsten, das weiß doch jedes Kind.

Omas sind zum Verwöhnen da

Am Wochenende ist Oma-Zeit. Papa Danilo und Tochter Luise standen den Sonntagvormittag in der Küche und haben Schokokuchen gebacken. „Ich bin der Kaffeemopser“, ruft die Zweijährige. Der Kaffee gehört natürlich eigentlich auf den gedeckten Tisch. Eine fröhliche Aufregung liegt in der Luft, auch beim großen Bruder Levy. Als Oma Tina dann zu Besuch kommt, gibt es Gummibärchen und strahlende Gesichter, bevor sich alle fünf gemütlich um den Esstisch gesellen.

„Meine Mutter hat am Anfang an unserer Süßigkeiten-Regel zu knabbern gehabt“, sagt Christin, „denn die lautet: drei pro Tag!“ Diese kleinen Konflikte zwischen der ersten und zweiten Generation verflogen dann aber schnell wieder. „Manchmal denke ich eben: Ich bin die Oma, ich darf das!“, lacht Martina. Für ihre beiden Enkelkinder würde sie sich am liebsten noch mehr Zeit nehmen, doch die 59-Jährige ist als Kinderkrankenschwester noch voll eingespannt und wohnt dazu nicht gleich um die Ecke. Deshalb sind die Wochenenden für Luise und Levy reserviert.

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Christin hat manche Familientradtionen von ihrer Mutter Martina übernommen und gibt sie jetzt an ihre Kinder weiter. © Sophia Lukasch

Die Eltern Christin und Danilo versuchen sehr, die Großeltern-Enkel-Bindung zu unterstützen, deshalb planen sie diese Zeit extra ein, für Christins Mama Martina und auch für Danilos Mutter, die an der Ostsee lebt. „Omas haben eine ganz andere Art und Weise mit den Kindern umzugehen. Eltern sind immer strenger, weil sie ja pädagogisch handeln wollen, Omas sind grundsätzlich dazu da, zu verwöhnen“, sagt Christin, die gelernte Erzieherin ist und nun als Deutschlehrerin arbeitet. „Jeder muss sich am Anfang erst mal in seiner Rolle finden“, sagt Danilo, „vor allem, weil man ja weiß, dass die eigenen Eltern viel Erfahrung haben, wollten wir trotzdem erst mal selbst versuchen.“

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Levy liebt es, Geschichten aus Omas Kindheitstagen zu hören. © Sophia Lukasch

Inzwischen ist eine Kissenschlacht mit Oma entbrannt. Während Luise eine kurze Pause in ihrer Superhöhle einlegt, hat Levy sein Angelbuch geholt. Der Siebenjährige hat sein Hobby gefunden und sogar schon eine Rotfeder gefischt, erzählt er. „Der Große findet es auch interessant, Geschichten von früher zu hören“, sagt Oma Tina. „Meine und seine Kindheit unterscheiden sich schon sehr. Wenn ich meinen Enkeln davon erzähle, denken sie wahrscheinlich manchmal, ich bin vom anderen Stern“. Martina war 30 als die Mauer fiel, aufgewachsen ist sie direkt daneben. Ihr Vater war bei der Armee und am Mauerstreifen stationiert. „Wir haben alleine draußen gespielt, da saß keine Mutti auf der Bank. Das ständige Behüten, das gab es damals nicht. Man hat den Kindern mehr Freiräume gelassen“, erinnert sie sich.

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Auch Danilo weiß die liebevolle Beziehung seiner Kinder zur Oma zu schätzen. © Sophia Lukasch

Diese einzuräumen fällt eben nicht immer leicht: „Das ist ein Riesensprung, wenn man selber Eltern wird, dann merkt man erst mal, was das für eine Verantwortung bedeutet und was man da eigentlich leisten muss“, sagt Christin. Für den 41-jährigen Danilo war es wie ein Bewusstwerden über seine eigene Kindheit: „Wenn ich meinen Sohn sehe, der mir sehr ähnlich ist, erinnere ich mich wieder an vieles“. „Und auch in pädagogischen Fragen überlegt man, wie haben das eigentlich meine Eltern gemacht“, ergänzt Christin. Die 37-Jährige mag es, dass sie alte Traditionen weiterführen kann und dazu aber auch noch neue, für ihre eigene Familie, erfinden kann.

Durch die Geburt der Enkelkinder ist für Martina das Verhältnis zu ihrer Tochter noch schöner geworden: „Es ist kompletter, als hätte sich ein Ring geschlossen. Christin hat jetzt das, was sie sich immer gewünscht hat, eine eigene Familie. Und das lebt sie auch jeden Tag.“

Da trifft also ein halbes Jahrhundert Familie aufeinander und all die Unterschiede verpuffen zu etwas Großartigem. Wenn drei Generationen Zeit miteinander verbringen, ist diese geprägt von den unterschiedlichsten Erfahrungen und manchmal auch ganz verschiedenen Vorstellungen. Bis alle sich in ihrer (neuen) Rolle zurechtfinden, kann es etwas dauern, aber früher oder später ist meist klar: Wer mit Oma und Opa groß wird, kann sich glücklich schätzen und lernt: Liebe ist multiplizierbar, bis ins Unendliche.

Diese Familiengeschichte stammt aus der Dezember 2018-Januar 2019-Ausgabe unseres HIMBEER Magazins, in dem ihr auch online blättern könnt. Wenn ihr unser Magazin abonnieren möchtet, findet ihr unter Abo alle Infos dazu.

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