Wahl 2017: DIE PIRATEN im Interview

Kindergeld, Kita-Plätze, Beruf und Familie: Am 24. September wählen wir den Bundestag. HIMBEER hat bei verschiedenen Parteien nachgefragt, was sie in Sachen Familienpolitik auf der Agenda haben.

ALLGEMEINE FRAGEN

Wie definiert Ihre Partei Familie?
Überall dort, wo Menschen langfristig füreinander Verantwortung übernehmen, einander lieben und achten, sich gemeinsam um Kinder, Angehörige und/oder ihre Partner sorgen, ist für uns Familie.

Was sind die wichtigsten familienpolitischen Vorhaben in der kommenden Legislaturperiode?
Eines der wichtigsten familienpolitischen Vorhaben ist die Umsetzung der Ehe für Alle inklusive des Adoptionsrechts. Dazu gehören auch entsprechende Aufklärungskampagnen, um Vorurteilen bzgl. der in Deutschland neuen offiziellen Familienformen passend zu begegnen.
Weiter stehen PIRATEN für eine bessere und gerechtere finanzielle Unterstützung für Lebens- bzw. Versorgungsgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder betreuungsbedürftige Menschen gepflegt und versorgt werden. Schon heute zahlt der Staat etwa 400 Euro je Kind an direkten, monatlichen Transferleistungen für Familien. Durch die einkommensabhängige Verteilung werden diese Zahlungen jedoch unterschiedlich verteilt. Das lehnen wir ab, da es unserem Verständnis von Chancengleichheit widerspricht. Wir setzen uns für die Abschaffung des Ehegattensplittings ein und werden uns für die Einführung eines Familiensplittings stark machen.

Wie könnten die unzähligen familienpolitischen Maßnahmen besser gebündelt und aufeinander abgestimmt werden?
Durch einkommensabhängige Verteilung werden Beihilfen unterschiedlich verteilt. Das  lehnen wir ab, da es unserem Verständnis von Chancengleichheit widerspricht. Wir setzen uns für eine Kindergrundsicherung ein. Die Kindergrundsicherung soll Familien finanziell entlasten, Kinderarmut verhindern und jedem Kind die Möglichkeit geben, sein eigenes Potenzial zu entfalten. Sie besteht aus einem Kindergrundeinkommen und einer Chancengleichheitsbeihilfe. Das bedingungslose Kindergrundeinkommen gewährleistet das soziokulturelle Existenzminimum der Kinder von Geburt an bis zum 18. Lebensjahr. Es ist anrechnungs- und steuerfrei. Die Chancengleichheitsbeihilfe hat das Ziel, Betreuung, Mobilität, Bildung und Teilhabe für alle Kinder zu sichern. Die Beihilfe kann steuerpflichtig, bedarfsorientiert, altersabhängig oder abhängig vom Familieneinkommen gestaltet sein. Zudem kann sie teilweise auch Sachleistungen wie kostenfreien KiTa-Besuch enthalten.
Die zuvor geforderte Aufklärung könnte zudem Queerbeauftragte unterstützen, die Standesämter, KiTa etc. entsprechend beraten und schulen.

Familienpolitik | HIMBEER Magazin

ARBEITSWELT

Welche Konzepte verfolgt Ihre Partei, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen?

Wie lässt sich von staatlicher Seite eine partnerschaftlichere Aufteilung  der Familienaufgaben zwischen Eltern unterstützen, die nicht mit Ablauf  der Elternzeitmonate endet, welche Arbeitszeitmodelle halten Sie für umsetzbar?

Mit Ausbau der Telearbeit (Homeoffice) wäre für viele Bürotätigkeiten die Möglichkeit gegeben, den Weg aus dem Haus nicht machen zu müssen. Voraussetzung dafür ist ein verstärkter Ausbau der Internetverbindungen, besonders im ländlichen Raum. Dass Deutschland hier weltweit auf einem der hinteren Plätze rangiert, ist dabei ein großes Hemmnis.
Weiterhin setzen wir uns für eine kostenfreie Kinderbetreuung ein, die es ermöglicht, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Betreuungseinrichtungen müssen dabei in so ausreichender Zahl und örtlicher Verteilung vorhanden sein, dass weder für das Hinbringen noch für das Abholen der Kinder zeitraubende Wege nötig sind. Hier setzen wir uns für einen wohnort- bzw. arbeitsplatznahen Ausbau ein. Auch Betriebskindergärten und -betreuungseinrichtungen sind dabei von großem Nutzen.

 

FINANZEN

Wie kann eine größere Steuergerechtigkeit für Familien hergestellt werden, unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind?

Befürworten Sie eine Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten eines Familiensplittings, wie würde dieses ausgestaltet werden?

Ja. Wir wollen das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting ersetzen. Die gemeinsame Veranlagung aller Familienmitglieder mit personenbezogenem Grundfreibetrag für alle ist eine sehr einfache Möglichkeit, mehr Steuergerechtigkeit herzustellen.
Konsequentes, d.h. für alle Variationen einer Familie umgesetztes Familiensplitting könnte darüber hinaus viele steuerliche Sonderregelungen überflüssig machen und damit zur Entbürokratisierung beitragen.

Wie positioniert sich Ihre Partei zum Thema Grundeinkommen für Kinder?
Wir haben im Landtag von Nordrhein-Westfalen die Kinder-Grundsicherung als einen wichtigen ersten Schritt hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen und als notwendige Handlung im Kampf gegen Kinderarmut nicht nur beworben, sondern mit der vorherigen rot-grünen Landesregierung zusammen tatsächlich ein Bekenntnis zur Kinder-Grundsicherung durchgesetzt.
Dazu stehen wir auch weiterhin auf Bundesebene. Ob Kinder ein menschenwürdiges Leben führen können, ob Kinder eine Chance auf eine lebenswerte Zukunft haben, das darf nicht vom Einkommen ihrer Eltern abhängig sein. Eine Grundsicherung für Kinder ist hier das absolute Minimum.
Zur Abschaffung der Kinderarmut setzen wir PIRATEN uns für die Einführung einer Kindergrundsicherung ein. Die Kindergrundsicherung soll Familien finanziell entlasten, Kinderarmut verhindern und jedem Kind die Möglichkeit geben, sein eigenes Potenzial zu entfalten.

Wie  ließe es sich vermeiden, dass geringverdienende Eltern – in vielen  Fällen Alleinerziehende – , die nur aufgrund ihrer Kinder ALG2 beziehen,  sich regelmäßig vor dem Jobcenter verantworten müssen, was eine  zusätzliche Belastung neben Job und Familienalltag bedeutet?
Mittel- bis langfristig halten wir ein bedingungsloses Grundeinkommen für unvermeidlich. Auf dem Weg dahin wäre der erste Schritt, dass die Sanktionen durch die Jobcenter grundsätzlich abgeschafft gehören.
Kürzungen des Existenzminimums sind ein Verstoß gegen die Garantie der Menschenwürde in unserem Grundgesetz, der inakzeptabel ist. Das gilt natürlich erst recht,  wenn Kinder davon betroffen sind.
Darüber hinaus sind restriktive Maßnahmen der Jobcenter wirkungslos und führen maximal – wie in der Fragestellung bereits angedeutet – zu schnellerem Burnout, Depressionen und hier letztlich zu extrem benachteiligten Kindern, weil deren Eltern ihrem Erziehungsauftrag nicht mehr nachkommen können. Dies halten wir für absolut inakzeptabel.

 

ALLEIN- UND GETRENNT ERZIEHENDE ELTERN

Welches Umgangsmodell halten Sie im Normalfall für erstrebenswert, wenn sich Eltern trennen?

Wie können getrennt lebende Eltern, die dies möchten, dabei unterstützt werden, ein Doppelresidenzmodell mit den damit einhergehenden höheren finanziellen Belastungen und eingeschränkten Arbeitskapazitäten zu verwirklichen?

Mit dem gemeinsamen Sorgerecht haben beide Elternteile auch das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht. Aus diesem Grund sind beide Elternteile dazu verpflichtet, einvernehmlich zu regeln, bei wem das Kind sich wie lange aufhält. Hier ist im Wesentlichen auf einen kindgerechten regelmäßigen Aufenthaltsturnus zu achten. Die  vereinbarten Aufenthaltszeiten haben einen Einfluss auf die Höhe der finanziellen Unterhaltsleistungen. Auch das Kind bekommt mit zunehmendem Alter ein Mitspracherecht. Es wird hierbei von einer Selbstbestimmung des Kindes mit 12 Jahren und einem wichtigen Stimmanteil bereits ab 10 Jahren ausgegangen.

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BEZAHLBARER WOHNRAUM

Wohnraum in Innenstädten ist für normalverdienende Familien immer schwerer zu  finanzieren – welche Maßnahmen können dieser Entwicklung entgegenwirken?
Hier müssen wir einfach direkt aus unserem Programm zitieren:
„Wir setzen uns für eine sozial gerechte Bodennutzung (SoBoN) ein. Ziel ist es, der aktuellen Wohnungsnot auf der einen Seite und der zunehmenden Verdrängung von erschwinglichem Wohnraum aus den attraktiven Innenstadt- oder Stadtteillagen entgegen zu wirken. Für diese, in jeder  Kommune im einzelnen festzulegenden Bereiche, soll ein angepasstes Maßnahmenpaket gelten, in dem es u.a. künftig auf allen neuen privaten  Wohnungsflächen 30 % öffentlich geförderten Wohnungsbaus zu erstellen gilt.“

Des Weiteren wollen wir die Gelder zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus reaktivieren und auf eine starke Zweckbindung achten. Sozialer Wohnungsbau ermöglicht zum einen auch einkommensschwachen Menschen, in Würde zu leben und reduziert zum anderen den Mangel an Wohnraum in Städten insgesamt. Sozialer Wohnungsbau wäre demnach auch eine ökonomische Mietpreisbremse. Sie würde alle Einwohner, insbesondere der größeren Städte, deutlich mehr entlasten als die in aktuellen Gesetzestexten festgehaltene, die sich praktisch kaum umsetzen lässt.
Zusätzlich dazu hier noch zwei weitere Absätze aus unserem Wahlprogramm, die ebenfalls auf die Thematik eingehen:
„Wir setzen uns für eine neue Gemeinnützigkeit zur Förderung von  Genossenschaften und Wohnungsgesellschaften ein, die sich zu sozialen Zielen wie bezahlbaren Mieten und langfristiger Instandhaltung  verpflichtet haben. Maßnahmen wie die Mitpreisbremse, der vielerorts u. a. ein  qualifizierter Mietspiegel fehlt, müssen wirksam gestaltet werden und  dürfen keine Symbolpolitik bleiben. Daher müssen diesen Instrumenten  ausreichend Personal, ausreichend Daten und alle notwendigen  Ressourcen zur Verfügung stehen. Dies ist bisher in den wenigsten Fällen der Fall.“

 

BILDUNG

Kostenlose Bildung von der Krippe bis zum Schulabschluss – wann können Eltern und Kinder damit rechnen bzw. ist dieses Ziel Teil Ihrer Agenda?

Welche Wege würden Sie beschreiten, um beim Ausbau von Betreuungsplätzen im Kindergarten- und Grundschulalter die Qualität der  Betreuungseinrichtungen zu sichern?

Welchen Stellenwert messen Sie freien Trägern im Bildungsbereich – Kita wie Schule – zu?

Für die gebührenfreie Bildung ist es aus Sicht der PIRATEN wichtig, dass der Bereich der Kitas als Teil des Bildungssystems wahrgenommen wird. Die bisherigen Versuche von KiFoeG und KitaFöG reichen nicht. Natürlich stehen wir für die Gebührenfreiheit in der Kita, aber auch für die Gebührenfreiheit in Schule, Studium und Weiterbildung, soweit sie staatlich direkt finanziert sind.
Die Betreuungsqualität lässt sich am einfachsten mit qualifiziertem, motiviertem Personal sicherstellen. Dies ist unabdingbar mit einer leistungsgerechten Bezahlung verbunden, die aber weder in der Kinderbetreuung noch in allen anderen sozialen Berufen stattfindet. Dass ein großer Mangel an Betreuungsplätzen besteht, ist unbestritten. Zumindest von politischen Menschen wie uns, die diesen Mangel erkennen und ihn nicht leugnen oder hinter statistischen Werten verstecken. Auch angesichts wieder steigender Geburtenraten muss dringend flächendeckend ein nachfragegerechter Ausbau stattfinden.
Freie Träger haben genauso ihre Berechtigung wie öffentliche. Dabei muss der Zugang für jedermann gesichert sein und darf auch hier nicht an finanziellen Hürden scheitern.

 

Interview: Anja Ihlenfeld und Eva Schneider

Bildnachweise:
© Justin Peterson, Unsplash
© Markus Spiske, Unsplash

Unter diesen Links findet ihr auch die Antworten der anderen Parteien: CDU/CSU, FDP, DIE GRÜNEN, DIE LINKE. Von den Parteien SPD und AfD blieb die Interview-Anfrage unbeantwortet.

Details könnt ihr im Wahlprogramm der Piraten nachlesen. Die einzelnen Positionen der Parteien könnt ihr über den Wahl-O-Maten vergleichen.

Pool der Manufacture Royale // HIMBEER
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