© Sandy J. Bossier

Auf Mutter-Kind-Kur – Woche 1

Mutter-Kind-Kur – Krankenkassengesponserter Wellnessurlaub oder harte Prüfung? Autorin Sandy J. Bossier war mit ihren zwei kleinen Kindern drei Wochen an der Ostsee. Ihr Erlebnisbericht – die erste Woche ...

Drei Wochen Mutter-Kind-Kur an der Ostsee, die Zimmer mit Meerblick. Vollpension, Putzfrau und Kinderbetreuung inklusive. Gesponsert von meiner (gesetzlichen) Krankenkasse, nur zehn Euro Eigenbeteiligung am Tag. Sommerurlaub zum Schnäppchenpreis! Trotz diskrepanter Erfahrungsberichte von Mutter-Kind-Kuren war ich überzeugt, dass es nicht anstrengender werden könne, als im Alltag zu Hause.

Mutter-Kind-Kur an der Ostsee Erfahrungsbericht einer Mutter: Spazierengehen an der frischen Luft // HIMBEER
© Sandy J. Bossier

Die ersten Tage meiner Mutter-Kind-Kur an der Ostsee

Nun liegt die erste Woche Kur hinter mir und ich weiß es besser. Auf Mutter-Kind-Kur ist nämlich alles ein bisschen anders als im Prospekt: Mein Zimmer hat keinen Meerblick und das Interieur gleicht dem eines Krankenhauses. An letzteres erinnern auch die streng einzuhaltenden Essenszeiten, sowie die klassische Auswahl zwischen Voll-, Vegetarisch und Schonkost. Die bunten Spiralnudeln sind verkocht und – wie bei Kantinenessen eben üblich – fehlt es bei allem an Salz.

Mutter-Kind-Kur an der Ostsee Erfahrungsbericht einer Mutter: Leuchtturm // HIMBEER
© Sandy J. Bossier

Man redet es schön: „Den Kindern zuliebe.“ Über Nacht vermehren sich die Nutella-Gläser auf den Frühstücktischen, Ernährungsberatung hin oder her. Bei der Kennenlernrunde wird ein Namensspiel gespielt, zum Auflockern. Ich sitze mit 17 Müttern im Stuhlkreis und „packe meinen Koffer …“. So erfahre ich nicht nur, dass Sabine ihre Sonnencreme, Friederike ihren Fön und Ottilde ihre Ohrstöpsel mitnimmt, sondern auch, dass Sabines Kinder ADHS haben, Friederike seit der ersten Schwangerschaft drei Bandscheibenvorfälle hatte und Ottildes Sohn hochbegabt ist. Unsicheres Lächeln. Einige Tränen.

Und die Erkenntnis des ersten Abends: Andere Mütter sind auch an ihren Grenzen.

Spätestens am zweiten Tag bei der Hausführung ist auch der letzten Mutter klar: „Wir sind auf Kur, nicht auf Korsika!“ Das hier ist kein Wunschkonzert – was wann wie gemacht wird, bestimmen ein Doktor, eine Psychologin und manchmal auch der Zufall.

So bekommen alle Patientinnen einen verbindlichen Stundenplan mit „Anwendungen“. Die Anwesenheit in der Gesprächsgruppe und Rückenschule, beim Yoga oder medizinischen Wannenbad, wird von der entsprechenden Kursleitung pflichtbewusst geprüft. Am Abend spricht die erste Mutter von Erwägungen der Abreise.

Mutter-Kind-Kur an der Ostsee Erfahrungsbericht einer Mutter: Strandstillleben // HIMBEER
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Am dritten Tag der ersehnte Probelauf für die Kinderbetreuung vor Ort, nach zwei Stunden hole ich meinen weinenden Sohn wieder ab. Er hat sich gut geschlagen, auch wenn er zu Hause seit eineinhalb Jahren in die Kita geht. Man will das Kind ja nicht zwingen, ist ja auch für ihn alles neu hier. Folglich sage ich alle Anwendungen am Nachmittag ab, beim Fango und PMR (Progressiv Muskelrelaxation) sind Kinder nicht willkommen. Irgendwo verständlich.

Aber mit dem Blick auf zwei Folgetage Wochenende, also 48 Stunden alleine mit zwei Kindern, auch frustrierend. Wie soll ich hier Zeit für mich finden? Viele Mütter sind am Ende ihrer Kraft. Alle hoffen auf gutes Wetter, um möglichst viel Zeit mit den Kindern am Strand zu verbringen. Leider regnet es bis Sonntag durch.

Wir zählen die längsten Tage im Jahr, nachts wird es nicht richtig dunkel. Viele Kinder schlafen aufgrund der Helligkeit schlecht  ein bzw. durch. Da es keine Rolläden gibt, klebt der Hausmeister emsig Alufolie an die Zimmerfenster. Am fünften Tag lasse ich mir von ihm zudem einen Rausfallschutz an mein Bett montieren, da beide Kinder im Laufe der Nacht zu mir ins Bett kommen. Drei Personen auf 90 Zentimetern, das ist eng. Mein Sohn war schon immer ein schlechter Schläfer. Hier ein noch schlechterer.

Kurbericht: Fahrradfahren am Meer mit Kindern // HIMBEER
© Sandy J. Bossier

Meine Zimmernachbarin muss täglich frische Laken aufziehen, dabei ist ihr Vierjähriger schon seit einem Jahr trocken, zu Hause. Hier nässt er wieder ein. Diagnose: „Heimweh. Er vermisst seinen Papa …“ Mit jedem Morgen sehe ich müder aus, schleppe mich mit anderen übernächtigten Müttern zum Kaffeeautomat.

Eine von ihnen wollte in der Kur mit dem Rauchen aufhören, ab dem sechsten Tag steht sie ständig in der Raucherecke. Der Doktor und die Psychologin hatten es im Aufnahmegespräch prophezeit: „Die erste Woche wird hart.“ Und wirklich, man muss sich Zeit geben, das Ankommen dauert.

Wie es Sandy weiter erging, lest ihr in ihrem Mutter-Kind-Kur-Erlebnisbericht der zweiten Woche

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