Steht auf und bewegt euch!

Tobias Kupfer und sein Team veranstalten für Kinder ein internationales Gesundheits-Förderprogramm mit Freestyle-Sport und gesundem Essen.

Die Kinder schauen verwundert. In einem der breiten Flure der Schule sind plötzlich Tische rechts und links. Darauf stehen Schalen mit Heidelbeeren, Erdbeeren, Feigen und Datteln, daneben große Tüten mit Müsli und Cornflakes sowie Flaschen mit frischer Bauernmilch und Joghurt. Wer will, kann sich auch noch Sonnenblumenkerne, Leinsamen und Sesam dazu mischen. Alles ist in Bio-Qualität. Ismail hat seine Schale randvoll gemacht, schaufelt das Müsli förmlich in sich hinein. „Zuhause gibt es so etwas bei uns nicht“, sagt er und meint: „Mein Vater mag so Körnerzeug nicht. Aber mit den Früchten zusammen ist das echt lecker. Dürfte es ruhig öfter hier in der Schule geben.“

Ismail ist elf Jahre alt und geht in die Mittelschule in der Knappertsbuschstraße 43 in Bogenhausen. Er ist einer von 120 Schülern, die heute nicht Mathe, Deutsch oder Biologie auf ihrem Stundenplan stehen haben, sondern Sport, Ernährung und Nachhaltigkeit – in Form eines ganztägigen Workshops von Gorilla. So nennt sich das internationale Gesundheitsförderprogramm für Kinder und Jugendliche, das Tobias Kupfer in Deutschland ins Rollen gebracht hat. Der ehemalige Europa- und Weltmeister im Skateboarden (Street) ist selber Vater von fünf Kindern und weiß, mit welchen Schwierigkeiten der Nachwuchs in der heutigen Zeit zu kämpfen hat. „Schon in der Schule dreht sich alles nur noch um Erfolg, Leistung und Konsum. Mensch, Natur und Gefühle zählen kaum, werden ruhiggestellt“, meint Kupfer und betont: „Doch wir sorgen mit Gorilla für Bewegung – körperlich wie geistig. Wollen den Kindern und Jugendlichen bewusstmachen, wie sie aktiv werden und bleiben können, um ihr Leben selbst zu gestalten.“

Stadtgestalten München | HIMBEER Magazin

Das klingt nach einer kleinen Revolution: Steht auf und bewegt euch!  „Genau das ist es auch“, sagt Tobias Kupfer, der 1976 in Leipzig das Licht der Welt erblickte. Den Sturz der Mauer und damit das Ende der DDR erlebte er hautnah mit. „Mein Vater und meine Mutter waren systemkritische Bürger, gingen auf die Straße und protestierten. Ich gehe nun in Schulen, Jugendzentren und soziale Institutionen und will den Kindern helfen.“ Studien belegen, dass sich rund 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland viel zu wenig bewegen. Sitzen und Liegen bestimmen den Alltag. Dazu kommt eine relativ einseitige Ernährung. Statt Sport steht Lernen und die digitale Flimmerwelt auf dem Programm. Jeder dritte Jugendliche hat demnach adipöse Tendenzen, leidet an Fettleibigkeit. Kupfer: „Wir erheben nicht den Zeigefinger, wollen niemanden belehren, sondern unsere Idee ganz spielerisch vorstellen. Und freuen uns über jeden, der damit was anfangen kann.“

Die Auswahl ist riesig: Skateboarden, Breakdance, Soccer,…

Um 8 Uhr in der Früh startet der Gorilla-Workshop in der Knappertbuschstraße 43. Die Schüler versammeln sich in der Sporthalle und schauen, was das 16-köpfige Team von Tobias Kupfer, das aus verschiedenen Freestylesportlern und Ernährungsexperten besteht, alles so draufhat. Jeder stellt seinen jeweiligen Bewegungskurs kurz vor: wie Skateboarden, Breakdance, Freestyle Soccer, Longboarden, Parcours oder Freestyle Frisbee.  Danach müssen sich die Kids für einen Sport entscheiden. Nach dem gemeinsamen Frühstück geht es dann los bis zum Mittagessen – bei dem natürlich ebenfalls Bioqualität aufgetischt wird. Am Nachmittag laufen die sogenannten Ateliers, in denen gemeinsame Spiele und Aufgaben zu den Themen Konsum, Ernährung, Müll, Recycling und Upcycling veranstaltet werden, das geht bis 15.30 Uhr, dann ist die Schule aus.

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„Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind uns auch sehr wichtig, gehören unzertrennlich dazu. Denn die Kinder sind unsere Zukunft, und wir sollten alles daransetzen, dass auch sie eine Zukunft haben“, sagt Kupfer, der 2010 in der Schweiz erstmals von Gorilla hörte und die beiden Gründer kennenlernte: Ernesto Silvani und Roger Grolimund. 2015 gründete Tobi Kupfer zusammen mit Grolimund die Gorilla Deutschland GmbH. Davor waren sie drei Jahre lang durch Deutschland gezogen, stellten Stiftungen, Unternehmen und in Städten ihr Projekt vor – mit Erfolg. Allein in München stehen in diesem Jahr zehn Schulen auf Tobis Liste. „In Leipzig gehen wir in ein Jugendgefängnis“, erzählt Kupfer, „das wird spannend.“ Gorilla ist bundesweit unterwegs.

Mit seinen Kids saust er durch München

Als Jugendlicher verspürte Tobias Kupfer auf seinem Brett mit vier Rollen die große Freiheit. Ihn zog es von Leipzig nach München. Dort absolvierte er seinen Zivildienst, kümmerte sich um Omas und Opas, kochte und putzte für alte Herrschaften. Die restliche Zeit stand Tobi, genannt Albertross, auf dem Skateboard. 2000 gewann er den Mystic Cup in Prag, ging für ein Jahr in die USA, zählte zu den besten Street-skatern der Welt und tourte mit Brett um den Globus. 2005 gründete er eine Skateschule in München und veranstaltete erste Workshops, baute zudem mit seiner Frau Nadine eine Agentur für Subkultur auf. „2007 hatte ich dann einfach keinen Bock mehr, unentwegt unterwegs zu sein“, erzählt Kupfer. Er beendete seine Profikarriere als Skateboarder, zog sich auf seinen Bauernhof mit kleinem Skatepark in Aufhofen zurück – ein kleines Dorf bei Wolfratshausen. Drei Jahre später dann der Schock. Bei Tobias Kupfer wird eine äußerst aggressive Form von Leukämie festgestellt. Es beginnt ein harter Kampf, den er gewinnt. „Da habe ich fürs Leben nochmal ein ganz neues und sehr intensives Bewusstsein entwickelt. Darum liegt mir Gorilla auch so am Herzen“, meint Kupfer, der immer noch gerne auf dem Brett steht und mit seinen Söhnen Quentin (13) und Marlon (8) durch Münchner Skateparks rauscht. Tochter Fiona (11) behält mit ihren Füßen lieber Bodenkontakt. Dazu gesellen sich dann noch an den Wochenenden und in den Ferien Mike (13) und Stella (11). „Unsere Pflegekinder, die fest zur Familie gehören“, so Kupfer.

Ismail von der Mittelschule in Bogenhausen strahlt über das ganze Gesicht. Ihm haben die Workshops viel Spaß gemacht. Auch das Essen hat ihm geschmeckt. Und so geht er zufrieden nach Hause. „Schade, dass der Gorilla morgen nicht mehr da ist“, sagt der Junge und schmunzelt, „aber ich bleibe dran.“

Text: Sebastian Schulke, Fotos: GORILLA Deutschland gGmbH

www.deingorilla.de

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