STADTGESTALTEN München: In der von Katrin Moser geleiteten „Kinderwerkstatt Neuhausen“ geht es um Kunst, ästhetische Bildung und um Hingabe.
Früher standen Waschmaschinen in dem Haus, Wäscheleinen waren
gespannt und die Luft war erfüllt vom Duft frischgewaschener Kleider. Danach nutzte eine Glaserei die Räume, später ein Schreiner. Heute hängen an den Wänden große, bunte Leinwände. Regale sind gefüllt mit beschrifteten Kisten sowie verschiedensten Materialien und Werkzeugen. In der Mitte des großen Raumes stehen Tische, die Ecke ziert ein alter Gasofen. Durch die großen Fenster an der Decke strömt Tageslicht. Es gibt sogar eine kleine Bibliothek, vor der gerade ein Junge verweilt. Er heißt Peter und hat sich ein Buch herausgezogen. Darin sind Bilder von Skulpturen und Figuren aus Holz. „Vielleicht finde ich da noch eine gute Idee für mein Schiff, das ich gerade baue.“
Peter baut, malt, konstruiert und gestaltet nun schon seit über einem Jahr seine eigenen kleinen Kunstwerke in dem alten Waschhaus, wie momentan 65 weitere Kinder übrigens auch. Die „Kinderwerkstatt Neuhausen“ von Katrin Moser kommt gut an. Sie liegt etwas versteckt in der Richelstraße 28 im Hinterhof. Atelier steht in großen Buchstaben am Eingang. Dort wo früher mal Wäsche gewaschen und getrocknet wurde, werden nun schon seit 2001 kleine und große Kunstwerke erschaffen.
„Allerdings nicht mehr nur von Kindern“, sagt Katrin Moser, „ich habe jetzt auch einen Kurs für Erwachsene. Da wird mir immer wieder so richtig bewusst, wie unglaublich frei, losgelöst und vertieft Kinder arbeiten können.“ Im Gegensatz zu den Erwachsenen, die sich oft mit ihrem zu viel Denken beim Gestalten blockieren würden. „Ich selbst lerne immer wieder von den Kindern: Kopf ausschalten, spontan und mutig sein!“, erzählt Moser und betont: „Darin steckt unglaublich viel Energie und Hingabe.“
Gerade springen neben Peter vier weitere Kinder durch den großen Raum des Ateliers. Sie schwingen mit Pinseln herum, sägen Holz oder bearbeiten Specksteine. Sie verlieren sich teilweise voll und ganz in neuen Ideen, entdecken und experimentieren, probieren sich aus. Mittendrin sitzt Katrin Moser. Die Münchner Künstlerin gibt hier und da Tipps und verrät Tricks, wie man eine Raspel in der Hand hält, hämmert oder poliert. Sie hat auf jede Frage der Kinder eine nette Antwort, tritt wie eine gute Freundin auf und fördert das Für- wie Miteinander. „Wir basteln hier nicht, sondern vermitteln ästhetische Bildung“, erklärt Moser. „Kunst wirkt nicht nur auf den Betrachter sondern auch auf den Gestalter. Die Kinder erleben durch ihr künstlerisch bildnerisches Arbeiten, das die Welt gestaltbar ist. Sie spüren plötzlich, dass sie kreativ und kompetent sind und etwas bewirken können. Das fördert die Resilienz.“
Von Resilienz hatte Katrin Moser als kleines Mädchen noch nichts gehört. Sie malte und zeichnete einfach gerne, ging mit ihren Eltern in Ausstellungen und Museen. „Wir waren in den Ferien auch öfter in Paris“, erinnert sich Moser, „da hat mir der Centre Pompidou besonders gut gefallen.“ Später auf dem Gymnasium entschied sie sich für das Fach Werken, mit Handarbeiten konnte Katrin nicht so viel anfangen. Nach dem Abitur studierte sie Sonderpädagogik, Kunsterziehung und Psychologie, machte zudem eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin und baute das Kinder- und Jugendmuseum in München mit auf.
All das hinderte Katrin Moser nicht daran, weiterhin künstlerisch zu arbeiten und aktiv zu sein. Sie eröffnete im Westend eine Galerie, stellte in Städten wie Paris, St. Etienne und Krakau aus – blieb München dabei aber immer treu. „Auch wenn es hier kaum noch Freiraum und Nischen für Künstler gibt“, meint Moser, „Luxus-appartements, Wohnparks und Einkaufszentren machen fast alles platt, die Mieten sind extrem hoch – als Künstler hat man es da sehr schwer, seinen Platz zu finden.“
Für die Kinderwerkstatt Neuhausen hat die Münchnerin allerdings einen perfekten Platz für sich und ihre Kinder gefunden. Sie ist unterteilt in ein Atelier, einen Lagerraum mit Brennofen für Keramik sowie in ein kleines Büro mit Küche. Malerei, plastisches Gestalten, Bildhauerei, Möbel- und Modellbau oder Mixed Media stehen auf dem Programm. Von Montag bis Donnerstag laufen nacheinander zwei Gruppen, die sich eineinhalb Stunden künstlerisch austoben können. Kostenlose Probestunden oder die sogenannten Samstags-werkstätten lassen jeden Interessierten in die Kinderwerkstatt hineinschnuppern und kleine Projekte umsetzen. Die Teilnahme in den Gruppen geht dabei über mindestens sechs Monate, in denen den jungen Künstlern genügend Zeit und Raum bleiben, um eigene Kunstwerke zu kreieren.
So wie bei Peter. Er sägt und schleift unermüdlich an seinem Schiff aus Holz herum. Das Buch aus der Bibliothek liegt neben ihm auf dem großen Tisch. Katrin Moser lächelt. „Das Schiff schwimmt zwar noch nicht so richtig“, meint Peter, „doch das wird bis zur Jahres-ausstellung schon klappen.“ Da werden Peter und die anderen Kinder ihre Kunstwerke zeigen – und das alte Waschhaus wird zu einer Galerie.
Text: Sebastian Schulke, Fotos: S. Flachmann
Weitere Infos zu den Workshops und Projekten der Kinderwerkstatt Neuhausen: www.kinderwerkstatt-neuhausen.de