Ein leerstehendes Kaufhaus machte sie zum „Puerto Giesing“ – ein alternatives Kulturzentrum, das Münchens Party- und Künstlerszene bewegte. Dem Kulturstrand in der Stadt hauchte sie neues Leben ein. Die „Lange Nacht der Musik“ brachte sie ins Rollen. Momentan sorgt sie dafür, dass der Nußbaumpark sein Negativimage ablegt und Menschen anlockt. Ihr Wunsch - einen Unort zum Leben erwecken.
Diese „sie“ heißt übrigens Zehra Spindler. Eine Frau, die in München soziokulturelle Räume und Projekte mit der „Urban League“ nutzt und gestaltet. Als wir Frau Spindler im Nußbaumpark besuchen, sitzt sie in einem Sonnenstuhl, trinkt eine Flasche eiskalte Zitronenlimonade und genießt das sommerliche Wetter und die Ruhe vor dem Sturm. In einer Stunde, um 12 Uhr, öffnet ihre Wohlfühloase mitten in der Stadt. Im Interview mit HIMBEER spricht sie über Malkurse, Schach, Berührungsängste und Synergien.
Frau Spindler, der Nußbaumpark in München besitzt zwar einen Spielplatz, viele Eltern machen jedoch einen großen Bogen darum. Sie wollen das ändern?
Stimmt. Seit dem 11. Juni sind wir nun am Start – mit dem Motto: Make Nußbaumpark gschmeidig again! Eine Zwischennutzung, die bis zum 10. September laufen wird. Mit gutem Essen zu familienfreundlichen Preisen, besonderen Getränken und einem soziokulturellen sowie progressiven Programm wollen wir die Menschen bewegen und den Park beleben.
Und das funktioniert?
Bislang sehr gut. Weil wir niemanden ausgrenzen oder verscheuchen. Der Nußbaumpark ist bekannt dafür, dass dort viele Drogensüchtige und Obdachlose herumhängen. Aber genauso trifft man auf Ärzte aus der benachbarten Universitätsklinik, auf Medizinstudenten, Touristen, Senioren und Familien. All diesen Menschen wollen wir einen
gemeinsamen Ort bieten, der jeden anspricht, der verbindet, Berührungsängste abbaut und Synergien entstehen lässt.
Eine recht große und komplexe Herausforderung.
Das dachte ich auch. Ein halbes Jahr lang bin ich immer wieder durch den Park gelaufen, habe ihn genau studiert. Ich wollte wissen, was die Menschen in dem Park machen und wie die Nachbarn zu ihm stehen. Für die Stadt München ist diese Grünfläche ein „Unort“, ein sozialer Brennpunkt. Daraus nun einen Ort der Begegnung zu gestalten, ist sehr spannend. Dementsprechend musste auch das Programm sehr dynamisch und lebendig sein. Im Klartext: Jeder kann Ideen einbringen, die wir dann je nach Machbarkeit umsetzen. Das Ganze wächst also von Tag zu Tag.
Wie genau sieht denn nun das soziokulturelle und progressive Programm aus?
Es gibt neben dem dynamischen Prozess auch feste Programmpunkte. So haben wir beispielsweise eine Kunstlehrerin aus der Nachbarschaft, die für Kinder kostenlose Malkurse anbietet. Die Kids vom „Zirkus Trau Dich“ aus der benachbarten Kirche treten auf unserer Wiese auf. Wer will, kann Tischtennis, Federball oder Backgammon
spielen. Außerdem gibt es Yoga, ein Antistress-Training, Lesungen, DJs, Diskussionsrunden, Konzerte, eine Kleidertausch-Börse und sogar Radiokunst, die wir über unseren extra eingerichteten Radiosender performen – über Internet auf unserer Webseite und in unserem Biergarten zu hören. Im Park verfügen wir über kostenloses WLAN.
Sie arbeiten im Nußbaumpark auch mit einem sozialen Träger zusammen?
Wir haben Streetworker von Condrobs in unser Boot, also unseren Park geholt. Die zählen zu den größten überkonfessionellen Trägern für soziale Hilfsangebote in Bayern und unterstützen uns vor allem durch ihre Erfahrung. Eine der vielen Unterorganisationen von Condrops heißt „Viva Clara“, die sich um Frauen kümmern, die aus dem gesellschaftlichen Gefüge gefallen sind. Und sie haben eine sehr gute und interkulturelle Großküche, die für uns im Nußbaumpark gutes Essen zelebriert.
Groß aber fein?
Die Speisen sind bodenständig und wechseln immer wieder – wie Couscoussalat, Wraps mit frischem Grillgemüse, Bratwurst-Semmel, Pommes, Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat, hausgemachte Smoothies oder der Viva-Clara-Burger. Dafür zahlt man dann zwischen drei und sechs Euro. An den Wochenenden stellt jeweils eine kleine Brauerei aus München oder Umgebung sein frisch gezapftes Craft-Beer vor. Natürlich auch alkoholfrei. Und wer will, kann übrigens auch als Gärtner bei uns aktiv werden.
Wie das?
Das Thema Natur und Nachhaltigkeit spielt in der Stadt eine wichtige Rolle. Zusammen mit Green City und dem Bezirksausschuss wurden zehn Hochbeete angelegt – ein kleines Urban-Gardening-Projekt. Patengemeinschaften kümmern sich darum und nehmen auch noch interessierte Stadtgärtner auf. Die Hochbeete sind bei Familien und Kindern sehr beliebt.
Der große Spielplatz im Nußbaumpark spielt eher eine Nebenrolle?
Die Kinder können dort natürlich spielen. Aber wir haben ihn in unseren Bereich mit den Holzhütten und dem Biergarten nicht eingebunden. Ich selber habe jedoch eine sehr besondere und enge Bindung zu diesem Spielplatz. Ich bin ja in München geboren und aufgewachsen. Mein Papa ist mit mir da oft zum Spielen hingegangen. Allerdings hat er dann im Park Schach gespielt und ich habe auf dem Spielplatz gewartet. Für einen Zug hat er nämlich jedes Mal eine halbe Ewigkeit gebraucht. Dennoch liegt mir dieser sogenannte Unort am Herzen.
Was machen Sie, wenn es regnet?
Bei uns läuft alles Open Air. Wir setzen da auf einen guten Sommer. Und bislang schaut es gut aus. Große Kälteeinbrüche und Regenschauer blieben aus. Und wir bleiben optimistisch.
Weitere Infos: www.nussbaumpark.de