Bis 28.07.2019 – Unbedingt sehenswert sind die Arbeiten des afrikanischen Künstlers El Anatsui in der Ausstellung Triumphant Scale im Haus der Kunst.
Man kann einfach nicht glauben, dass diese kostbar wirkenden, weich fließenden Wandbehänge und monumentalen Skulpturen aus weggeworfenen Flaschenverschlüssen entstanden sein sollen. Es schillert wie Perlmutt, es glänzt und fließt und schmiegt sich, bunte Einsprengsel tauchen auf, bilden Ornamente – unglaublich prachtvoll und in ihrer Größe beeindruckend sind die Arbeiten des ghanaischen Künstlers El Anatsui.
Kann so etwas aus gefundenen Materialien gemacht sein? Wenn man näher hinschaut, erkennt man es: Die Wandteppiche, Raum- und Bodenskulpturen sind zusammengesetzt aus unzähligen kleinen Schnipseln, oft bedruckt mit einem Markenschriftzug der Getränkefirma, von deren Flaschenhals das Material stammt. In der Arbeit Yam wurden Konservendosenböden verarbeitet. Wie ein Teppich aus riesigen Goldmünzen liegt einem die Hügellandschaft zu Füßen.
So eine Kunst macht Erwachsenen wie Kindern Spaß. Jeder sieht etwas anderes darin. Der kleine Sammler vielleicht besonders die wundersame Verwandlung des Materials, der hintergründig Gebildete die politische und geschichtliche Dimension der Werke.
Denn El Anatsuis Kunst hat viele Lesarten. Der 1944 in Ghana Geborene weiß genau, was er tut. Nichts an seiner Kunst ist zufällig. In den 1960er-Jahren studiert, greift er den Factory-Gedanken Andy Warhols auf, der auch der Idee der Kooperativen in Afrika entspricht: El Anatsui arbeitet nicht allein, sondern hat durchschnittlich 40 Mitarbeiter, bei großen Projekten über 100. Die Mitarbeiter falten die Materialstücke und bohren mühevoll Löcher hinein, verbinden sie mit Kupferdraht. In einer Zeremonie legt jeder Mitarbeiter seinen „Block“ vorne ab. Später entwirft der Künstler am Computer einen Plan für die Zusammensetzung.
El Anatsuis Werke erzählen immer die Geschichte Afrikas, verknüpft mit der Geschichte der restlichen Welt. Ohne dabei anklagend zu sein – verstanden als gigantisches, komplexes Räderwerk. Der gemeinschaftliche Entstehungsprozess der monumentalen Werke zum Beispiel ist Teil der Kunst und schafft Arbeit und Lebensgrundlage. Dennoch könnte das eintönige, langwierige und mühsame Schaffen vieler auch an Sklavenarbeit erinnern. Die schimmernden Stoffe aus Fundstücken haben eine Parallele in den trotz Armut prächtigen, farbenfrohen Gewändern vieler Afrikaner, recycelt aus europäischen Altkleidersammlungen.
Die Ausstellung im Haus der Kunst zeigt neben den beschriebenen monumentalen Arbeiten auch frühere Werke El Anatsuis aus Holz, Metall und Keramik. Passend zur Ausstellung wird im aktuellen Kinderprogramm des Hauses der Kunst mit „Müll“ gearbeitet: mit Kronkorken und alten Espressokapseln. Das Kinderprogramm kann über die genannten Termine hinaus individuell gebucht werden.
Haus der Kunst, El Anatsui, Triumphant Scale, noch bis 28.07.2019, Mo-So 10:00-20:00 Uhr, Do 10:00-22:00 Uhr, Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, 80538 München, hausderkunst.de