Gescheiterte Demokratie

Ein Spielplatz entsteht - und alle planen mit. Wie das funktioniert und was dabei herauskommt, hat eine Anwohnerin erlebt.

Es ist tatsächlich so: Berlin ist eine kinderfreundliche Stadt. Im Vergleich zu anderen Städten kann man sich hier über mangelnde Freizeitangebote oder Kultureinrichtungen nicht beklagen. Auch in der Gestaltung des urbanen Raumes werden die Bedürfnisse und Ansprüche von Familien mit Kindern oft berücksichtigt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ist bemüht, in allen Bezirken auch kinderfreundliche Orte zu schaffen und den städtischen Raum zum Lebensraum werden zu lassen. Projekte dieser Art leben aber vor allem von dem Engagement der Anwohner, die sich aktiv für ein kinderfreundliches Berlin einbringen und ihre Stadt mitgestalten wollen. Umso erfreulicher, dass auch der Senat die interessierten Bürger in die Planung von neuen Flächen miteinbezieht.

Das Gebiet rund um den Kollwitzplatz gehört wohl zu den von Familien am meisten frequentierten Orten in der Stadt, dennoch sind Spielplätze dort eher rar gesät. Seit Jahren schon ist die Stadt deshalb bemüht, dort vorhandene Flächen zu erwerben und zu Spielplätzen umzugestalten. Auch an der Saarbrücker Straße / Ecke Straßburger Straße ist durch Initiative des Senats eine solche Fläche angekauft worden, um einen Spielplatz entstehen zu lassen. Mit der Gestaltung wurde ein Berliner Landschaftsarchitekten-Büro beauftragt, für das rund 740 m² große Areal entsprechende Vorschläge zu entwerfen. Um den Spielplatz entsprechend den Bedürfnissen der späteren Nutzer zu gestalten, wurden Anwohner mit Kindern und Interessierte in zwei Planungswerkstätten an dem Prozess beteiligt.

Für Anwohnerin Claudia eine ideale Gelegenheit, ihren beiden Söhnen mal Demokratie live zu zeigen und ihnen zu vermitteln, dass Mitbestimmung in einer Gesellschaft schon bei Kindern beginnt. Diese waren ausdrücklich gebeten, ihre Wünsche und Vorstellungen mit einfließen zu lassen, um den Spielplatz auch aus Kindersicht planen zu können. Bei dem Workshop kristallisierten sich schnell einzelne Überlegungen heraus: Der neue Spielplatz sollte ein Ort für alle Altersklassen sein und Spielgeräte sowohl für kleine als auch schon größere Kinder bereithalten. Auch an ältere Menschen sollte gedacht sowie die Gruppe ortsansässiger Sprayer bedacht werden. Dafür bot sich eine vorhandene Wand auf dem neuen Gelände ideal an. Geeinigt wurde sich außerdem auf eine Tischtennisplatte für die größeren Geschwisterkinder. Leitmotiv für die Gesamtkonzeption war das Thema „Farbenspiel“.

Die gelungenen Planungswerkstätten waren für Claudia und ihre Familie ein Gewinn – umso enttäuschender dann die Eröffnung des Spielplatzes nach acht Monaten Bauzeit und 220.000 Euro Investition in Planung, Beräumung und Bebauung. Von den gemeinsam entwickelten Vorschlägen war kaum mehr etwas zu erkennen. Als Ergebnis des Projektes präsentierte sich ein Kleinkindspielplatz für Kinder bis sechs Jahre mit Buddelkasten, Klettergerüst und Rutsche. Für die größeren Kinder bot der Platz so gut wie keine Gelegenheit zum Toben und Spielen, und an ältere Leute war lediglich in Form von zwei Bänken gedacht worden. Der kreative Einfluss der Graffiti-Künstler war in der Bauphase gänzlich untergegangen, die vorhandene Wand musste offiziell aus statischen Gründen entfernt werden. Lediglich in der Spielgeräte-Gestaltung wurde das Thema Kreativität in Form von überlebensgroßen Buntstiften und riesigen Farbpaletten umgesetzt – fraglich allerdings, ob das für die Sprayergruppe ein angemessener Ersatz ist.

Für Claudia und vor allem für ihre Kinder ist die Spielplatz-Gestaltung jedenfalls eine Ernüchterung. Das erste Mitbestimmen in gesellschaftlichen Prozessen hatten sie sich anders vorgestellt.