© Silke Weinsheimer

Rivalität und Liebe

Jede Familie ist ein Universum für sich, in dem jedes Mitglied seine Rolle finden muss. Für Geschwister gilt das noch einmal mehr, sie verbringen ihre Kindheit mit Menschen, die sie sich nicht selbst aussuchen konnten: ihren Schwestern und Brüdern.

Egal, ob sie als Persönlichkeiten miteinander harmonieren oder nicht, sie verbindet ein lebenslanges Band, ihre Beziehung zueinander prägt sie für immer.

Zu einer gesunden Entwicklung gehört – neben aller Vertrautheit – auch Streit unter den Geschwistern, was viele Eltern als anstrengend empfinden. Dabei sind die täglichen Auseinandersetzungen ein immens wichtiges Training fürs ganze Leben. Drei Familien erzählen, wie das mit der Geschwisterliebe und -Rivalität bei ihnen läuft.

Geschwister – lebenslang verbunden

Sind Erstgeborene die Vernünftigen, Strebsamen? Und die Jüngsten in der Familie die Rebellischen? Und was ist mit den Sandwichkindern, die in der Mitte der Geschwisterfolge stehen?

Fliegen sie tatsächlich unter dem Radar, fungieren im Familiengefüge als Vermittler:innen und sind besonders anpassungsfähig? Soweit die Stereotypen.

Immer wieder schauen sich Forschende an, ob da etwas dran ist – und sammeln Zahlen. So wurde beispielsweise herausgefunden, dass Erstgeborene häufiger Studiengänge wählen, die zu besser dotierten Jobs führen. Diese gehen auch eher in die Wissenschaft und besetzen die Vorstandsposten in den großen Unternehmen (43 Prozent).

Die Erklärung dafür: Erstgeborene haben mehr Zeit mit den Eltern allein und werden in ihren ersten Lebensjahren entsprechend gefördert.

Titelgeschichte Geschwister: Rivalität und Liebe // HIMBEER
Teresa genießt es, dass ihre großen Geschwister schon vorlesen können. © Silke Weinsheimer

Klingt so, als wäre anhand der Geburtenreihenfolge ziemlich klar, was für eine Persönlichkeit ein Mensch wird. Dabei spielt laut Geschwisterforschung noch viel mehr mit rein, etwa die ökonomischen und sozialen Verhältnisse einer Familie, in welchem Abstand zueinander die Kinder geboren wurden und welche Veranlagung sie mitbringen.

Klar ist, dass Geschwister einander ein Leben lang prägen. „Geschwister zu haben bringt viele Vorteile mit sich: Die Kinder lernen im Idealfall schon früh, Teams zu bilden und Konflikte zu lösen, sie lernen, sich mit anderen zu arrangieren, zurückzustecken und sich mal durchzusetzen“, sagt Erziehungsexpertin und Bestsellerautorin Nicola Schmidt.

Rollen innerhalb der Familie

Gleichzeitig haben die Rollen, die sie innerhalb ihrer Familie einnehmen, nicht immer etwas damit zu tun, an welcher Stelle sie geboren wurden: „Sie entwickeln ihre Rollen, um sich voneinander abzugrenzen. Das eine ist vielleicht das Fürsorgliche, das andere das Wilde.

Diese Positionierung passiert nicht bewusst, sondern weil jedes Kind irgendwie seinen Platz sucht“, sagt Claudia Schwarzlmüller.

Titelgeschichte im HIMBEER Magazin 06-07.2025: Rivalität und Liebe. Geschwisterbeziehungen. Clara, Joseph und Teresa // HIMBEER
Clara, Joseph und Teresa raufen gerne auf dem Sofa. © Silke Weinsheimer

Die Diplom-Psychologin erklärt in ihrem Buch „Die Kinderdolmetscherin“ (Fischer Verlag), wie Kinder denken und fühlen. Dass jedes seine Rolle hat, könne helfen, Konflikte zu vermeiden – oder eben neue erzeugen. Denn wenn ein Kind immer das Brave ist, dann fühlt es sich womöglich schnell übersehen.

Und wenn eines ständig Spaß macht, kriegt es vielleicht Nähe über Lachen – aber nicht über echtes Gesehenwerden. „Diese Dynamiken laufen leise im Hintergrund mit. Plötzlich gibt es Krach, scheinbar ohne Grund. Dabei kämpfen sie in Wahrheit oft nicht gegeneinander, sondern um ihren Platz im System“, so Schwarzlmüller.

Geschwister kämpfen in Wahrheit oft nicht gegeneinander, sondern um ihren Platz im System.

Bei meinen Kindern ist die Rollenverteilung so: Louisa (8), die Erstgeborene, ist schnell überreizt, musisch und künstlerisch interessiert, eine Selbstläuferin in der Schule, braucht mehr Schlaf als ihr Bruder und achtet penibel darauf, wer in ihrem Zimmer ihre Habseligkeiten berühren darf.

Besuch von anderen Familien spielt sich deshalb größtenteils im Zimmer ihres Bruders Arno (5) ab. Der ist laissez faire mit seinen Besitztümern, wild, laut, dickköpfig, körperlich.

Bekannte sagen oft: typisch Mädchen, typisch Junge. Dabei haben sie auch viele Gemeinsamkeiten: Beide Kinder sind nullkommanull schüchtern, trauen sich selbst viel zu, quatschen mit jedem, sind aber auch streng zu sich selbst, wenn etwas nicht klappt.

Und: Sie vermissen einander, wenn sie sich nicht sehen. „Ich mag, dass ich immer mit Arno spielen und manchmal auch tolle Ausflüge machen kann. Er ist ein toller Bruder“, sagt Louisa.

Titelgeschichte Geschwister: Rivalität und Liebe // HIMBEER
Geschwister stehen nicht immer in direkter Konkurrenz, ganz oft sind sie auch Cheerleader:innen füreinander – bei Louisa und Arno trifft das zu. © Nina Lüth

Jede Familie ist ein Universum für sich. Da ist es wenig überraschend, dass man nicht über einen Kamm scheren kann, unter welchen Bedingungen sich Schwestern und Brüder gut verstehen. „Jedes Kind braucht etwas anderes, wenn es um Geschwister geht; denn das Temperament unserer Kinder beeinflusst die Geschwisterbeziehung von Anfang an“, sagt Nicola Schmidt.

Eltern bleibt also nichts anderes übrig, als individuell zu schauen, was jedes einzelne Kind braucht.

Geschwisterleben

Auch meine Kinder kämpfen um ihren Platz im Familiensystem. Wir geben uns große Mühe, dass sich beide gesehen und geliebt fühlen. Beispielsweise unternehmen mein Mann Ulf und ich oft einzeln mit einem der Kinder etwas, ob Museumsbesuche oder eine Übernachtung im Freizeitpark.

Trotzdem konkurrieren Louisa und Arno um unsere Aufmerksamkeit, stehen in einem ewigen Wettstreit. Zum Beispiel, wer zuerst über das Steinmäuerchen balancieren darf, wer am besten schnipsen und pfeifen kann. „Zank gehört zum Geschwisterleben dazu, man kann nicht immer nur friedlich spielen“, meint Louisa.

Kinder streiten als kleine Kinder vor allem um Spielzeug und ihre primäre Bezugsperson, weiß Nicola Schmidt. Später geht es um Interessen und Vorherrschaft, zum Beispiel, wer im Spiel bestimmen darf. Ab vier Jahren streiten sie auch viel um Fairness und um Gerechtigkeit.

Schulkinder zanken viel darum, wer Recht hat und Teenager streiten oft um Räume: wer Freund:innen einlädt und wer als erste:r ins Bad darf.

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Als Sandwichkind ist für Joseph Gerechtigkeit total wichtig, Teresa ist die heimliche Chefin der Familie. © Silke Weinsheimer

Erziehungsexpert:innen sagen: Je kürzer der Altersabstand, desto größer ist die Konkurrenz zwischen den Kindern. Auf der anderen Seite steigen die Chancen, dass sie miteinander spielen. „Ja, manchmal möchte man ihnen zurufen: ‚Leute, es ist genug Liebe für alle da! Wirklich!‘

Aber für Kinder fühlt sich das anders an. Für sie ist Bindung nicht wie ein Kuchen, den man gerecht aufteilt – sondern eher wie ein Lichtkegel, in dem sie stehen wollen“, erklärt Claudia Schwarzlmüller. Und wenn da schon das Geschwisterkind drinsteht, dann stellt man sich halt mit dazu – oder schubst den anderen raus.

Selbst wenn Eltern sich um emotional faires Verhalten bemühen: „Kinder ‚rechnen‘ nicht kognitiv. Sie fühlen. Jetzt. Und wenn sie gerade müde, überdreht oder unsicher sind, dann kann es sein, dass sie auf einmal das Gefühl haben, nicht die gleiche Aufmerksamkeit zu bekommen.

Dann beginnt die Konkurrenz“, so Schwarzlmüller. Das passt: Bei uns fliegen die Fetzen am meisten, wenn wir hungrig oder müde sind.

Zu Geschwistern gehört der (Wett-)Streit also wie die Pommes mit Majo zum Freibad.

Die Forschung sagt, dass Geschwister etwa sechs Mal in der Stunde streiten. Umgekehrt ist die völlige Abwesenheit von Streit übrigens kein gutes Zeichen, wie Nicola Schmidt in ihrem Buch „Geschwister als Team“ (Kösel Verlag) schreibt.

Die Autorin weiß von ihren Recherchen: „Wenn Kinder gar nicht streiten, dann auch, weil einfach kein Raum dafür da ist.“ Sie gibt zu bedenken: „Daran sieht man, dass Streit uns auch zeigt: Diese Kinder fühlen sich sicher genug, um Konflikte auszutragen.“

Geschwister lernen miteinander, Konflikte zu lösen – und da geht es meistens um Ressourcen, Fairness oder Vorherrschaft. Wer kriegt was, wer darf bestimmen? Und die elterliche Aufmerksamkeit ist ganz klar eine Ressource.

Schmidt ist da ganz klar: „Die Forschung zeigt uns: Kinder testen keine Grenzen aus, sie fragen nach sozialen Regeln. Und sie müssen erst lernen, Konflikte nach den Regeln ihrer Kultur konstruktiv zu lösen – das ist kein Instinkt, das ist nicht angeboren, das ist erlernt.“

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Kira und Ulf mit ihren Kindern Louisa und Arno – drei Jahre Altersunterschied trennt die Geschwister. Zu Hause streiten sie sich viel, lieben sich aber auch heiß und innig. © Nina Lüth

Louisa und Arno streiten sich täglich, fast so, als wäre es ihr Hobby. Das führt so weit, dass ich manchmal keine Lust habe, den Nachmittag mit beiden Kindern zu verbringen. „Im Alltag ist zu Hause für Kinder oft das Epizentrum aller Gefühle.

Da fällt alles von ihnen ab, was sie den Tag über erlebt haben: Angestaute Energie, unausgesprochene Bedürfnisse, Reizüberflutung – alles will raus. Da kann ein Streit manchmal helfen“, sagt Claudia Schwarzlmüller. In unserer Wohnung fühlen sie sich sicher, hier können Louisa und Arno wie in eine Art emotionalen Mülleimer das kippen, was sie draußen fein säuberlich zurückgehalten haben.

Wie läuft das bei anderen Familien? Ich besuche Sabine und Fabian mit ihren Kindern Clara (15), Joseph (9), Teresa (3). Clara hat einen anderen Papa, der in derselben Stadt lebt. Sie sieht ihn an den Wochenenden und verbringt die Ferien mit ihm. Für die Geschwister ist das kein Thema.

„Durch die sechs Jahre Altersunterschied zwischen jedem Kind wachsen die drei eher wie Einzelkinder in einer Familie auf“, sagt Sabine. Clara sei die Vernünftige, sehr gut in der Schule und eine Leistungs-Schwimmerin.

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Sabine und Fabian mit Clara, Joseph und Teresa – die drei Kinder trennen jeweils etwa sechs Jahre. © Silke Weinsheimer

Joseph ist Gerechtigkeit wichtig, was als typisch für Sandwichkinder gilt. Wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt, und dann auch noch hungrig ist, hat er schon mal einen Wutanfall, der dann nicht mehr so schnell abebbt.

Teresa ist als Nesthäkchen diejenige, die noch am meisten Aufmerksamkeit von ihren Eltern braucht – und sie ist willensstark! „Sie ist die heimliche Chefin. Wenn wir nicht machen, was sie möchte, kann Teresa richtig laut werden. Das wollen wir unter allen Umständen verhindern“, sagt Clara und lacht.

Streiten lernen

Am meisten Zoff haben Clara und Joseph miteinander. „Ich habe für dieses Sticheln sogar ein eigenes Wort erfunden: Gigengageln“, sagt Papa Fabian. Meistens ärgere eine:r die/den andere:n aus dem Nichts heraus. „Zum Beispiel, wenn wir im Sommerurlaub sind, Clara auf der Liege am Pool liegt und ich sie ohne Vorwarnung nass spritze“, erinnert sich Joseph.

Die beiden finden es doof, wenn sie beim Streiten von den Eltern unterbrochen werden. Es sei einfach ein besseres Gefühl, das selbst zu Ende zu bringen und sich zu vertragen – und nicht dazu gedrängt zu werden. „Es ist ja auch wichtig, dass jede:r mal sagen darf, wie er es sieht“, meint Joseph.

Und klar, wenn Sabine und Fabian parteiisch sind, finden Clara und Joseph das nicht gut. „Fabian ist der Ruhepol in der Familie, er ist extrem lange ausgeglichen und sehr belastbar. Aber wenn er dann schlechte Laune hat, kommt er schwer davon runter“, sagt Sabine. „Ich mag es gar nicht, wenn Fabian schlechte Laune hat, das zieht sich dann über den ganzen Tag. Da müssen wir schnell aufhören zu streiten“, erzählt Clara.

Sabine spricht häufiger mal ein Machtwort. „Wir teilen uns unbewusst als good cop und bad cop auf, damit gleichen wir uns gegenseitig aus“, meint Fabian. Clara findet, Erwachsene sollten nicht versuchen, dass sich ihre Kinder weniger streiten, sondern ihnen dabei kein schlechtes Gewissen vermitteln.

„Es stört mich immer, dass wir aufhören sollen, obwohl ich das noch ausdiskutieren wollte. Wenn wir den Streit nicht von uns aus beenden, ist das Gefühl noch den ganzen Tag da“, meint Clara.

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© Silke Weinsheimer

In der Tat: Streitereien kann man sich wie ein Übungsfeld vorstellen, in dem man sich ausprobieren, Emotionen zeigen und Rollen austarieren kann – ohne gleich die Bindung zu riskieren. Mit Konflikten untereinander erwerben Kinder Frustrationstoleranz.

Dieses Wissen ist ein Trost für alle Eltern, deren Kinder sonntagmorgens um halb sechs die erste Auseinandersetzung vom Zaun brechen.

Je gelassener Erwachsene bleiben, desto schneller beruhigen sich die Kinder.

Und wann ist der richtige Moment, um einzugreifen? „Immer, wenn jemand seelisch oder körperlich verletzt wird. Dass Kinder‚ das von selbst regeln ist ein Mythos. Sie müssen sozial verträgliches Lösen von Konflikten von uns lernen, bevor es eskaliert“, sagt Nicola Schmidt.

In ihrem Buch „Geschwister als Team“, stellt sie ein Sieben-Schritte-Schema vor. Dabei bleiben Eltern erstmal ruhig, denn auch wenn es laut ist, jemand weint oder schreit, haben wir in der Regel keine Notsituation. Je gelassener wir bleiben, desto schneller beruhigen sich auch die Kinder.

Gemeinsame Werte definieren

Als nächstes lassen Eltern die Kinder reden, aber beziehen selbst keine Stellung. Das ist wichtig, damit die Kinder ihren Standpunkt klar machen können, ohne Angst zu haben, dass man ihnen nicht Recht geben könnte.

Damit die Kinder jetzt lernen, sich in andere einzufühlen und zu denken, beschreiben Eltern anschließend, was sie gehört haben – so verstehen Kinder, dass ihr Geschwister die Situation vielleicht ganz anders sieht als sie und ganz andere Motive hat.

Um den Streit zu lösen, brauchen Familien jetzt noch gemeinsame Werte, laut Schmidt können auf deren Grundlage Lösungen erarbeitet und umgesetzt werden. „Es klingt anstrengend, aber wenn sich das einmal eingespielt hat, geht es nicht nur schnell – die Kinder lernen auch, ihre Konflikte ohne uns zu lösen und das ist das Ziel“, so Schmidt.

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Elias, der kleinste Bruder, verbindet die beiden großen miteinander. Er findet es toll, wenn Louis mit ihm spielt. © Silke Weinsheimer

Stimmt es, dass Jungs anders, körperlicher streiten als Mädchen? Welche Bedeutung haben Geschlechterrollen? Was sagen Magdalena und Matthias als Eltern von Louis (11), Henri (8) und Elias (4)? „Henri ist unsere Drama-Queen, er streitet nach oben wie nach unten. Wobei er mit dem Kleinen schon etwas harmonischer ist, weil der auch mehr nachgibt“, erzählt Magdalena.

Henri spielt viel mit Elias, aber kaum mit Louis. „Am häufigsten streite ich mit Henri, weil er mich provoziert. Ich bin dann traurig, weil ich mich gar nicht streiten will“, sagt Louis. „Wir streiten, weil die anderen etwas anderes machen wollen als ich“, meint Henri, der aktuell noch daran arbeitet, Kompromisse zu schließen.

Und Elias ergänzt: „Wenn wir uns vertragen, dann kuscheln wir, geben uns ein Kussi und sagen Entschuldigung.“

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Familienbande: Magdalena und Matthias mit ihren drei Söhnen Louis, Henri und Elias. © Silke Weinsheimer

Die beiden älteren sind sehr unterschiedlich, erzählt ihre Mutter. Louis interessiert sich für Themen, die traditionell mit Jungs assoziiert werden, wohingegen Henri seit seinem zweiten Lebensjahr sagt, dass er zwar wisse, ein Junge zu sein, sich aber lieber wie ein Mädchen anziehen möchte.

Damals, vor sechs Jahren, fand er im Schrank seiner Cousine ein Kleid mit Zitronenprint, das er fortan nicht mehr ausziehen wollte. „Bei Henri muss alles pink, lila und glitzernd sein. Louis lässt das vollkommen kalt, wenn Henri ihm seine Barbie zeigen will“, so Magdalena.

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Wenn Louis neue Freund:innen mit nach Hause bringt, stellte er ihn so vor: „Das ist Henri, mein Bruder. Er trägt aber lieber Mädchensachen.“ Egal wie sehr sich die Geschwister intern auch zanken, nach außen verteidigen und unterstützen sie sich oft.

Elias wiederum sei als Nesthäkchen der Flexible, der die beiden größeren auch miteinander vereint. Er freut sich, wenn einer der älteren mit ihm spielt und kann sich dabei auf vieles einlassen.

Familiendynamiken

Magdalena erzählt, dass es der Familiendynamik guttut, wenn ein Elternteil auch mal alleine etwas mit einem Kind unternimmt. „Mein Mann und ich gehen total gerne in Museen, Henri auch. Nur Louis nicht. Das entzerren wir dann eben ein wenig.“

Henri sei der Provokateur der drei Jungs, er geht gerne zu seinem großen Bruder ins Zimmer, setzt sich hin und fordert eine Reaktion ein. „Das eskaliert dann schon mal, weil Louis gerade seine Ruhe haben möchte.“

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Zum Glück sind Spielkameraden immer in Reichweite: Henri, Louis und Elias beim Quatschmachen. © Silke Weinsheimer

Aus Langeweile ins Zimmer des Geschwisterkinds spazieren – das kommt wahrscheinlich allen Eltern bekannt vor. Ist Ärgern eine Art von Freizeitbeschäftigung? „Ehrliche Antwort? Leider ja“, sagt Claudia Schwarzlmüller. „Das Geschwisterkind ist immer da – man kann jederzeit auf es zurückgreifen, wenn einem sonst nichts einfällt. Aber dahinter steckt natürlich mehr.“

Ärgern als Botschaft: Ich bin da. Ich will Kontakt. Ich will gesehen werden.

Wenn Kindern langweilig ist, dann fehle nicht einfach ‚Action‘, sondern oft ein Gefühl von Verbindung, Bedeutsamkeit oder innerem Fokus. „Und was macht man, wenn man nicht weiß, wohin mit sich? Dann ist eine Möglichkeit, sich eine Reibefläche zu suchen. Und wer eignet sich da besser als das Geschwisterkind, das gerade so schön tiefenentspannt Lego spielt?“, fragt Schwarzlmüller.

Sie findet, man solle das Ärgern auch als Botschaft sehen: Ich bin da. Ich will Kontakt. Ich will gesehen werden. Es sei für Kinder eine Art naheliegende Lösung, denn in den meisten Fällen reagieren dann die Eltern – was sie bei vorangegangenen subtileren Kontaktangeboten vielleicht nicht getan haben.

Eltern haben hier die Aufgabe, die Suche nach Verbindung nicht als „Störung“ zu sehen, sondern als Signal. Es ist schließlich nur menschlich, dass sich Kinder Aufmerksamkeit wünschen.

Egal, wie nervenaufreibend der Alltag mit Geschwistern auch sein mag: Alles wird gut und hat seinen Sinn. Auch, wenn die Kinder nicht jeden Streit gewinnen können, so gewinnen sie beim Streiten doch wichtige Fähigkeiten. Und sie haben mit Geschwistern lebenslange Gefährt:innen an ihrer Seite. Für alle Krisen und Konflikte.

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