Die Schauspielerin Laura Maire ist immer in Bewegung – nicht nur auf der Bühne oder vor Filmkameras. Auch als Sprecherin von Hörbüchern und Hörspielen.
Mit ihrem Sohn auf dem Arm öffnet Laura Maire die Tür. Sie lächelt. Der kleine Mann staunt, reißt seine Augen weit auf. Dann kommt auch schon der Papa und geht mit ihm ins Kinderzimmer. „Milan ist zehn Monate alt“, sagt Maire und meint: „Kann sein, dass er während des Interviews Hunger bekommt. Dann müssten wir eine Pause einlegen.“ Klar. Das ist natürlich kein Problem.
Wir setzen uns in die große Wohnküche. Durch große Fenster scheint die Sonne, Vogelstimmen sind zu hören, klingen durch die sommerliche Herbstluft. Vom Rummel der Münchner Metropole ist in Herrsching am Ammersee nichts zu hören. Eine Stunde mit der S-Bahn liegt der graue und laute Asphaltdschungel entfernt. „Die Natur und Ruhe hier draußen gibt mir sehr viel Kraft“, erzählt Maire. „Hier kann ich meinen Akku immer wieder aufladen.“
„Ich liebe das Vielseitige und Bunte“
Laura Maire ist viel unterwegs. Die Schauspielerin steht dabei nicht nur vor der Kamera oder auf Theaterbühnen. Hörspiele und Hörbücher gehören ebenso zu ihrem Repertoire. „Ich liebe das Vielseitige und Bunte“, meint sie. Auf einen bestimmten Bereich oder Rollentyp möchte sie sich nicht festlegen lassen. „Bewegung ist für mich sehr wichtig.“ Heute noch genauso wie früher als Kind.
In Paunzhausen, einem kleinen Dorf im Landkreis Freising, wächst sie auf. Ihre Nachbarn sind Schweine, Katzen und Mäuse. Ihr Papa, Fred Maire, ist Schauspieler und Synchronsprecher. Ihre Mama kommt aus den Niederlanden, hat in Amsterdam Kunst studiert. Die künstlerische Ader ihrer Eltern geht an der kleinen Laura nicht spurlos vorbei. Als sie noch im Kindergarten ist, nimmt sie bereits zusammen mit ihrem Papa ein Hörspiel auf – und zwar „Das Traumfresserchen“ von Michael Ende. Es folgen in der ersten Schulklasse Reisegeschichten. „Da sind wir in den Sommerferien durch Spanien gereist“, erinnert sich die Schauspielerin. „Meinem Papa habe ich damals dazu kleine Geschichten erzählt, und er hat sie kurz darauf mit seiner Schreibmaschine aufgeschrieben.“
Lauras Mama hat mit bulgarischen und indonesischen Märchenerzählungen die Fantasie ihrer Tochter angeregt und belebt. „Bücher und auch Hörbücher lassen Kinder in fantastische Fantasiewelten tauchen. Und für mich als kleines Mädchen war es einfach wunderbar“, sagt Maire, „all diese Geschichten von meiner Mama und meinem Papa vorgelesen zu bekommen. Das hat mir sehr viel bedeutet.“ Zu ihren Lieblingsbüchern zählten damals „Die Brüder Löwenherz“ und „Mio, mein Mio“ von Astrid Lindgren. Die wird sie bald auch Milan vorlesen, wie sie es bereits für ihren älteren Sohn Leo (14) getan hat. Maire: „Vorlesen ist einfach Quality-Time – für Kinder und Eltern.“
Die besondere Energie, die von Büchern ausgeht, fasziniert Laura Maire bis heute, als Zuhörerin genauso wie als Vorleserin beziehungsweise Sprecherin von Hörbüchern und Hörspielen. Mit Klassikern wie „Die kleine Hexe“ von Ottfried Preußler und „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren hat sie bereits unzählige Kinderherzen schneller schlagen lassen.
„Bei den kleinen Zuhörern geht es mir vor allem darum, ihnen möglichst lustig und lebendig eine spannende Geschichte zu erzählen, sie damit zu umfangen“, erklärt Maire. „Bei Romanen für Erwachsene bin ich mehr in den einzelnen Figuren drin.“
Dafür sitzt sie dann in Hamburg, Berlin oder München recht einsam und allein in einem Studio, liest 75 bis 100 Seiten pro Tag und bekommt hier und da ein paar Vorgaben von einem Regisseur. „Der sagt dann: Lauter, leiser oder so was“, erzählt Maire und betont: „Nach fünf oder sechs Stunden ist dann jedoch Feierabend. Da braucht meine Stimme eine Pause.“ Am nächsten Tag geht es weiter. Begleitet wird sie dabei von ihrem Mann, der sich um Milan kümmert. „Er ist Yoga-Lehrer und Ayurveda-Therapeut, unterstützt mich, meine Arbeit und unsere Familie sehr. Das Gleiche tue ich natürlich auch für ihn. Wir haben da beide immer wieder Freiräume, können uns zum Glück recht frei bewegen. Daraus ergibt sich ein sehr gutes Zusammenspiel.“
Freiräume, die ihr auch ihre Eltern ermöglichten. Mit zwölf Jahren gab sie bereits Anna Chlumsky ihre Stimme – als Vada Sultenfuss in dem Film „My Girl – meine erste Liebe“. Fünf Jahre später ging sie von Punzhausen nach München und kurz darauf nach Frankfurt an eine Schauspielschule. Doch Heimweh und ein tolles Angebot, die Hauptrolle in der Fernsehserie „Verdammt verliebt“ (2002), brachten sie in die bayerische Metropole zurück. Zwei Jahre zuvor hatte sie bereits ihr erstes Hörbuch „Der Nibelungen Mord“ von Bernd Grashoff für den Bayerischen Rundfunk gelesen. „Das Gespenst von Canterville“ 2006 war ihr erstes Kinderhörspiel.
Live-Auftritte vor Publikum gehören auch dazu
„Live-Hörspiele vor Publikum sind auch sehr schön und spannend“, meint Maire. „Da sitze ich dann nicht in einem Tonstudio in einer kleinen Box, sondern bewege mich auf einer Bühne. Das ist offener und noch intensiver. Und genau diese Abwechslung, diese Bewegung liebe ich.“ Dann ist plötzlich Milan zu hören. „Oh, er hat Hunger“, sagt Laura Maire und lächelt. Eine Pause ist nicht nötig. Das Interview ist im Kasten. Und die Mama kann sich voll und ganz auf Milan konzentrieren, während die Sonne immer noch durch die großen Fenster scheint und die Vögel draußen fröhlich singen …