... Aus dem Leben eines Kleinkindes. Über Momente des täglichen Lebens schreibt Sarah Niedermeier in ihrem Buch „Rotz Trotz und Kreischalarm. Der Weg zu einer gelassenen Mutterrolle“.
Jeder von uns der Vater oder Mutter eines Kleinkindes ist, kennt diese Momente in der Autonomiephase. Wenn sich Sohn oder Tochter wütend auf den Boden werfen, weil die Banane falsch geschält wurde, oder der Keks zerbrochen ist.
Was genau dabei in den Köpfen unseres Nachwuchses vorgeht, und warum genau diese oft anstrengende Phase so wichtig für die gesunde Entwicklung ist – darüber schreibt Sarah Niedermeier.
Sie ist Psychologin, Coach und Beraterin in Würzburg. Die Mutter zweier Kinder (2 und 4 Jahre) hat ein ehrliches Buch über die ersten drei Lebensjahre ihrer Tochter und die damit einhergehenden Herausforderungen des Mutterseins geschrieben.
Sie berichtet ehrlich, emotional und schonungslos von wunderschönen Augenblicken badend im Babyglück, aber auch von Situationen, in denen der jungen Mutter die Aufgabe über den Kopf zu wachsen scheint.
Die Autonomiephase von Kleinkindern
Kleinkinder begreifen erst mit der Zeit, dass nicht alles nach ihrem Willen laufen kann. Sie haben noch nicht gelernt, ihre Gefühle zu artikulieren und zeigen ihren Zorn, ihren Ärger sowie ihre Enttäuschung oft sehr kraftvoll durch Wutanfälle: hysterisches Toben, Wüten, Schreien, Trotzen und sich auf den Bodenwerfen stehen dann auf der Agenda.
Auch wenn Eltern daran manchmal verzweifeln: Solche Dramen sind ganz normal und entwicklungsgerecht.
„Fiona (1 Jahr und 5 Monate alt) kann so herzerweichend und allerliebst sein und strahlen, dass selbst Menschen, die Kinder eigentlich nicht so mögen, dahinschmelzen. Ihr Kinderlächeln steckt an und kann verzaubern, aber Prinzessin Sonnenschein kann auch eine Gewitterhexe sein. Sie kann heftig in Tränen ausbrechen, schreien, um sich schlagen und toben, sodass manchmal schon echt Funken sprühen. Na ja, fast.“
Trotz- oder Autonomiephase? Entwicklung des eigenen ICH
Trotz gilt als wichtige Phase zur Entwicklung der Selbständigkeit des Kleinkindes und der Ablösung vom Babyalter. Einige Pädagogen sprechen nicht vom Trotzalter, sondern von der Autonomiephase, da nicht Trotz und Widerstand kennzeichnend sind, sondern die Ablösung und das Selbständig-werden-Wollen des Kleinkindes.
Das Streben nach Autonomie ist entwicklungsgerecht und wichtig, damit es sein eigenes ICH entwickeln kann.
„Fiona war von dem plötzlichen Aufbruch gar nicht begeistert und schrie ohrenbetäubend, um ihrem Vater zu zeigen, dass sie damit gar nicht einverstanden war und versuchte ihn davon abzuhalten, sie zu wickeln. Sie strampelte und windete sich, trat mit den Füßen nach ihm, völlig verständnislos und enttäuscht darüber, dass er sie beim Spielen herausgerissen hatte.“
Dauer der Autonomiephase
Etwa ab 18 Monaten werden Kleinkinder körperlich aktiver, mobiler und somit auch unabhängiger von ihren Eltern. Sie wollen ihre Umwelt erkunden, ihre eigenen Entscheidungen treffen und selbständiger werden.
Dazu sollen sie ihre (altersentsprechenden) Erfahrungen selbst machen dürfen. Die Trotzphase kann bis zum sechsten Lebensjahr andauern, wobei der Höhepunkt meist zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr erreicht wird. Mit dem Alter werden es immer weniger Wutausbrüche. Eine Geduldsprobe für Eltern!
Druck erzeugt Gegendruck
Das Kind soll lernen, mit seiner Wut umzugehen. Oft reagieren Eltern mit Strenge oder starker eigener Wut, doch dadurch wird wiederum Widerstand beim Kind ausgelöst. Druck erzeugt Gegendruck und beim Kind kommt es so zu Hilflosigkeit und Ohnmacht.
Wie können Eltern sich denn bei einem Tobsuchtsanfall verhalten?
„Am besten sollte man ruhig und geduldig bleiben und versuchen, den kleinen brüllenden Tyrann auszuhalten und liebevoll zu begleiten“, sagt die Würzburger Autorin des Buches „Rotz, Trotz & Kreischalarm. Der Weg zu einer gelassenen Mutterrolle“.
„Wenn die eigene Wut gerade in mir hochkocht, verlasse ich auch mal für einen Moment die Situation und den Raum, um mich selbst wieder zu regulieren und mich vorbildhaft als Erwachsene zu verhalten.“
Weiter berichtet die Psychologin, dass es ihrem zweijährigen Sohn Liam sehr hilft, „wenn ich ihm Verständnis für seinen Tobsuchtsanfall signalisiere und ihm seine Emotionen aufzeige: Ich sehe, dass du wütend bist, oh, sehr wütend sogar. Klappt das Jacke Zumachen nicht?, frage ich ihn und biete geduldig meine Hilfe an. Schreit er immer noch Alleine! dann lasse ich es ihn eben weiter probieren.
Leichter gesagt als getan, aber Geduld ist der beste Weg! Fängt mein Sohn nun an zu hauen, zu schlagen, oder zu treten, mache ich ihm unmissverständlich klar, dass wütend sein in Ordnung ist, aber Gewaltausbrüche, bei denen man andere (oder sich selbst) verletzt, nicht.
Stattdessen zeige ich ihm, wie er seine Wut zum Beispiel stampfend deutlich machen kann. Wichtig ist, dass man die Wutanfälle des Kindes nicht persönlich nimmt. Das Kind ist doch nur enttäuscht und sauer, dass sein Vorhaben noch nicht so klappt, wie es möchte.
„Glücklicherweise hatte [Fionas Vater] Ralph in diesem Moment viel Geduld und nahm sie noch einmal in den Arm, wiegte sie hin und her, um ihr zu helfen, sich zu beruhigen. Nach einiger Zeit legte er Fiona wieder auf den Wickeltisch und lenkte sie mit einer Creme ab, die sie aufdrehen durfte. Nun konnte er dann in Ruhe den Windelwechsel starten. Doch leider hat man nicht immer so eine vorbildliche Geduld …“
Gelassenheit und Vorbild sein
Macht und Verantwortung liegen ganz nah beieinander, doch Macht darf nicht missbraucht werden! Gewalt ist keine Lösung, denn sie schadet dem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl des Kindes sowie seiner Entwicklung.
Ungefähr ab dem fünften Lebensjahr entwickeln Kinder glücklicherweise andere Strategien zur Stressbewältigung und lernen mehr und mehr, sich selbst zu regulieren.
Bis dahin sollten Eltern versuchen, bei Trotzalarm gelassen zu sein, bewusst tief durchzuatmen, Verständnis zu zeigen, vorbildlich zu reagieren und Alternativverhalten aufzuzeigen. (Strategien, die dem Kind helfen, sich selbst zu beruhigen)
5 Tipps während der Autonomiephase:
- Gelassen sein und erst einmal tief durchatmen!
- Ruhig und geduldig den Wutausbruch des Kleinen aushalten.
- Das Kleinkind liebevoll begleiten, seine Gefühle ernst nehmen und sie ihm widerspiegeln, damit es lernt, die eigenen Gefühle zu erkennen und damit umzugehen.
- Daran denken, dass es nur eine Phase ist, in der das Kind lernt, zukünftig selbstvertraut(er) sowie selbständig(er) zu werden.
- An die Vorbildfunktion als Erwachsener denken!
Unsere Gastautorin aus Würzburg ist die Psychologin Sarah Niedermeier. Von ihr stammt das Buch „Rotz, Trotz und Kreischalarm. Der Weg zu einer gelassenen Mutterrolle“
Erschienen im Selbstverlag bei Amazons Kindle Direct Publishing 03/2018, zu kaufen gibt es das Buch als Kindle Edition oder als Taschenbuch bei Amazon*