Ein großes Mit- und Füreinander: Anne Taylor und René Götz stecken hinter der Weiterentwicklung der „Hofflohmärkte“ zu kleinen bunten, kreativen Festivals – mit Musik, Kunst, Handwerk, Spiel, und Spaß.
In einem Hinterhof im Westend. Die Wände und Mauern sind bunt besprüht. Große, grüne Buchstaben zieren die Fassade. Hier und da sind noch ein paar rote und blaue Kleckse. Nur die Garagen sind farblos, kauern dunkel und grau in einer Ecke. Dann betreten Anne Taylor und René Götz den Hof. Die beiden lächeln, fühlen sich gleich wohl. „Da hat sich ja schon jemand kreativ ausgetobt“, meint René. Anne lacht: „Die Hausbewohner hier könnten sofort bei unseren Hofgesellschaften mitmachen.“ Hofgesellschaften? So heißt das neue Projekt, das Münchens Stadtviertel in bunte und kreative Spots verwandeln soll.
Der Mensch im Mittelpunkt
Die Hofgesellschaften sind so etwas wie die Weiterentwicklung der „Hofflohmärkte“ in München. Aus dem Altwarenlager im Hinterhof wird ein kleines Festival. „Die Hausbewohner machen aus ihrem Hof eine Bühne, erklärt Anne, „mit Musik, Kunst, Handwerk, Spiel, Spaß – und einer Wundertüte.“ Das heißt: Jedes Haus, jeder Hof kann sich etwas Besonderes ausdenken – wie zum Beispiel gemeinsames Kochen oder Tanzen. Eine Theatervorführung oder Lesung wäre ebenso möglich. „Was den Leuten Spaß macht und in den Sinn kommt. Nach dem Motto: Zeig, was du kannst. Und: Zeig, wer du bist“, meint René.
Im Mittelpunkt steht der Mensch – seine Ideen, seine Stärken, seine Kreativität, sein Gemeinschaftssinn. „Durch die Hofgesellschaften wollen wir die unterschiedlichsten Personen, Nationen und Kulturen zusammen bringen und zusammen spielen lassen – überall in der Stadt. Ein großes Miteinander und Füreinander soll entstehen – von Nachbarn und für Nachbarn“, sagt Anne. Eine Hofgesellschaft kann im Rahmen eines Hofflohmarkts stattfinden, aber auch losgelöst zu den festgelegten Terminen. Die Anmeldung ist kostenfrei.
Eine Idee nimmt Formen an
Anne kommt aus Berlin. In Wien hat sie Kommunikationswissenschaften und Publizistik studiert. Seit sechs Jahren lebt sie in München. Ein urbanes Projekt mit Musik schwebt ihr schon lange durch den Kopf. Vor zwei Jahren kam Anne Taylor auf die Idee mit den Hofgesellschaften. „Doch allein wäre ich nicht weit gekommen“, meint sie. „Ich war schon immer ein großer Fan der Hofflohmärkte in München. Und da habe ich auf der Webseite die Nummer von René gefunden und ihn einfach angerufen.“ Die beiden verstanden sich sofort, schwammen auf einer Welle, die nun bis in die Hinterhöfe von München schwappt.
„Die Stadtviertel und ihre Menschen sowie der lokale Einzelhandel, also die kleinen, netten und liebenswerten Geschäfte, liegen mir sehr am Herzen“, sagt René Götz, der sich selbst als „Local Entrepreneur“ bezeichnet. Vor 20 Jahren bereits wollte er nicht tatenlos dabei zusehen, wie die bunte Ladenkultur in den Stadtvierteln von München mehr und mehr verschwand und von großen Konsumtempeln globaler Konzerne gefressen wurde. Mit den „Stadtfavoriten“ – so nannte er sein kleines, lokales und selbstgestaltetes Magazin – versuchte er 1999 die kleinen Läden in seinem Viertel und der Umgebung zu unterstützen. 2004 kamen die Hofflohmärkte dazu. „Die Garage- und Yard-Sales in den USA, die ich aus Fernsehserien kannte, hatten mich damals inspiriert. Mit ganz kleinen Schritten fing alles in Haidhausen an. Da haben nur eine Handvoll Leute und ein paar wenige Hinterhöfe mitgemacht“, erinnert sich René.
Doch der Hofflohmarkt kam gut an, sprach sich herum und wurde immer angesagter. Heute laufen allein im Raum München über 50 Hofflohmärkte. Dazu haben sich Städte wie Stuttgart, Köln, Hamburg, Frankfurt und ab diesem Sommer auch Berlin gesellt. „Ich bin ein echtes Flohmarkt-Kind, meine Eltern haben in München kaum einen ausgelassen“, erzählt er. „Der an der Pferderennbahn von Riem war unser Favorit.“
Alte Nachbarn neu kennenlernen
Und seit 2018 gibt es nun die Hofgesellschaften, für deren Konzept und Idee Anne und René sogar schon einen Preis erhalten haben – den „Paulaner Salvator Preis“, der Projekte fördert, die der Anonymität der Großstadt entgegenwirken und den Dialog sowie die Hilfe unter Nachbarn fördern. „Junge und alte Menschen haben mit steigender Anonymität zu kämpfen. Außerdem rücken Themen wie Solidarität und Nachhaltigkeit wieder mehr in den Vordergrund und ins Bewusstsein der Leute. Genau da setzen wir mit den Hofgesellschaften an“, meint René. Anne ergänzt: „Unsere digitalisierte Gesellschaft rotiert. Jeder ist zwar mit jedem vernetzt, aber kennen tut sich trotzdem niemand mehr so richtig. Das wollen wir ändern.“
Und so sind die Hofgesellschaften und Hofflohmärkte nicht nur ein nettes Vergnügen an sommerlichen Tagen oder Wochenenden. Sondern viel mehr: Ein kollektives und kreatives Festival, das Farbe in Münchens Stadtviertel bringt.
Termine auf hofgesellschaften.de